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Eine ostdeutsche Schulaufsichtsbeamtin berichtet über ihre Erfahrungen während der Wende (1. Oktober 2003)

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3. Bilanz nach einem Jahrzehnt Wiedervereinigung: Erfolge, Enttäuschungen, Mißerfolge

Ein gutes Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung drängt sich – rückblickend – die Frage auf, ob nicht eine anders betriebene Personalpolitik einer Neuorientierung des ostdeutschen Schulwesens förderlicher gewesen wäre. Zwar scheint von außen betrachtet die Transformation gelungen. Die meisten Schulen in den neuen Bundesländern wurden mit zum Teil beträchtlichem Aufwand den westdeutschen Standards angepaßt. Die Lehrerkollegien sind zusammengewachsen, die neuen Schulleitungen im Amt bestätigt. Unterrichtet wird nach neuen Lehr- und Rahmenplänen. Doch fällt nicht wenigen ehemaligen DDR-Lehrern die Umstellung auf das neue System mit seinen ungewohnten Unterrichtsformen, -inhalten und -methoden immer noch schwer, ist manch einem die gesetzlich verankerte Mitbestimmung bzw. Mitwirkung von Eltern und Schülern bei schulischen Maßnahmen nach wie vor suspekt. Die „pädagogische Freiheit“ bei der Auswahl und Reihenfolge des Unterrichtsstoffs, die Chance zur Übernahme von Verantwortung rufen Unsicherheit hervor. Der Abbau von Hierarchien, die Transparenz bei Entscheidungsprozessen werden eher abgelehnt als begrüßt.

Die Demokratisierung von Schule in Ostdeutschland – sie lässt auf sich warten. Alle Fortbildungsmaßnahmen zur Politischen Bildung konnten hieran nur wenig ändern.

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Bleibt abschließend festzuhalten: Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen in beiden Teilen Deutschlands ist bislang eher schwach entwickelt. Vorurteile und gegenseitiges Misstrauen bestimmen nur zu oft das Verhältnis zueinander. Unverzichtbar wären daher eine konsequente Aufarbeitung der Vergangenheit im Osten und mehr Verständnis im Westen für die Anpassungsschwierigkeiten der ostdeutschen Mitbürger sowie eine stärkere Würdigung ihrer Lebensleistung.

Dazu könnten die Schulen in beiden Teilen Deutschlands im Rahmen einer fachübergreifenden Politischen Bildung einen wichtigen Beitrag leisten.



Quelle: Heike Kaack, „Schule im Umbruch: Unterrichtende und Unterricht in den neuen Bundesländern während der Vereinigung“, Deutschland Archiv 36, Nr. 2 (2003), S. 296-303.

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