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Martin Luthers 95 Thesen (31. Oktober 1517)

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61. Klar ist allerdings, daß für den Nachlaß von Strafen und in ihm vorbehaltenen Fällen der Lossprechung die Gewalt des Papstes allein genügt.

62. Der wahre Schatz der Kirche ist das hochheilige Evangelium von der Herrlichkeit und Gnade Gottes.

63. Dieser ist aus gutem Grund äußerst verhaßt, weil er aus den Ersten Letzte macht (Matth.20,16).

64. Der Schatz des Ablasses hingegen ist aus gutem Grund äußerst beliebt, weil er aus den Letzten Erste macht.

65. Demnach sind die Schätze des Evangeliums die Netze, mit denen man einst reiche Menschen fischte.

66. Die Schätze des Ablasses hingegen sind die Netze, mit denen man heute die Reichtümer der Menschen fischt.

67. Der Ablaß, den die Prediger als höchste Gnaden ausschreien, kann in der Tat so angesehen werden, insofern er den Gewinn fördert.

68. Doch in Wahrheit ist er der allergeringste, gemessen an der Gnade Gottes und der Barmherzigkeit des Kreuzes.

69. Verpflichtet sind die Bischöfe und Seelsorger, die Kommissare des apostolischen Ablasses mit aller Ehrerbietung zuzulassen.

70. Aber noch mehr verpflichtet sind sie, alle Augen darauf hinzurichten und alle Ohren darauf hinzulenken, daß jene nicht statt des Auftrages des Papstes ihre eigenen Hirngespinste predigen.

71. Wer gegen die Wahrheit des apostolischen Ablasses spricht, der sei verdammt und verflucht.

72. Wer aber gegen die Willkür und Zügellosigkeit der Reden der Ablaßprediger einschreitet, der sei gesegnet.

73. Wie der Papst zu Recht den Bannstrahl gegen die schleudert, die allerlei Künste zur Schädigung des Ablaßhandels betreiben,

74. so will er noch viel mehr die mit dem Bannstrahl treffen, die unter dem Vorwand des Ablasses die Schädigung der heiligen Liebe und Wahrheit betreiben.

75. Zu meinen, der päpstliche Ablaß sei so wirksam, daß er einen Menschen auch dann absolvieren könnte, wenn der – um Unmögliches zu sagen – die Mutter Gottes vergewaltigt hätte, ist Irrsinn.

76. Wir setzen dagegen: Der päpstliche Ablaß kann nicht einmal die geringste der läßlichen Sünden tilgen, was die Schuld anbetrifft.

77. Daß man sagt, auch St. Petrus könnte, wenn er jetzt Papst wäre, keine größeren Gnaden austeilen, ist eine Lästerung gegen den heiligen Petrus und den Papst.

78. Wir setzen dagegen: Dieser und jeder Papst hat größere Gnaden, nämlich das Evangelium, charismatische Kräfte, die Gabe der Heilung usw., wie es 1.Kor. 12,28 heißt.

79. Die Behauptung, das hoch aufgerichtete Ablaßkreuz, versehen mit dem Wappen des Papstes, besitze die gleiche Kraft wie das Kreuz Christi, ist Gotteslästerung.

80. Rechenschaft werden die Bischöfe, Seelsorger und Theologen einst ablegen müssen, die es zulassen, daß dem Volk solche Reden feilgeboten werden.

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