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Martin Luthers 95 Thesen (31. Oktober 1517)

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41. Mit Vorsicht ist der apostolische Ablaß zu predigen, damit das Volk nicht fälschlich meint, sie seien anderen Werken, nämlich guten Werken der Liebe, vorzuziehen.

42. Man muß die Christen lehren: Es ist nicht die Meinung des Papstes, daß der Kauf von Ablaß in irgendeiner Hinsicht den Werken der Barmherzigkeit gleichzustellen sei.

43. Man muß die Christen lehren: Dem Armen zu geben oder dem Bedürftigen zu leihen ist besser, als Ablaß zu kaufen.

44. Denn durch ein Werk der Liebe wächst die Liebe, und der Mensch wird besser; durch Ablaß hingegen wird er nicht besser, sondern nur freier von Strafe.

45. Man muß die Christen lehren: Wer einen Bedürftigen sieht und sich seiner nicht annimmt, sondern Ablaß kauft, erwirbt sich nicht den Ablaß des Papstes, sondern den Zorn Gottes.

46. Man muß die Christen lehren: Wenn sie nicht Geld im Überfluß haben, sind sie verpflichtet, das für ihr Hauswesen Notwendige zu behalten und keinesfalls für Ablaß zu vergeuden.

47. Man muß die Christen lehren: Der Kauf von Ablaß ist freigestellt, nicht geboten.

48. Man muß die Christen lehren: Der Papst braucht und wünscht bei der Gewährung von Ablaß in höherem Maße das andächtig für ihn gesprochene Gebet als die bequemen Einkünfte.

49. Man muß die Christen lehren: Der Ablaß des Papstes ist nützlich, wenn man nicht sein Vertrauen in ihn setzt; aber er ist äußerst schädlich, wenn man seinetwegen die Furcht Gottes fahren läßt.

50. Man muß die Christen lehren: Wenn der Papst wüßte, wie die Ablaßprediger das Geld eintreiben, ließe er lieber die Peterskirche zu Asche verfallen, als sie mit Haut, Fleisch und Knochen seiner Schafe aufzubauen.

51. Man muß die Christen lehren: Der Papst sei, wie es seine Pflicht ist, willens – und wenn er (notfalls) die Peterskirche verkaufen müßte –, von seinen Reichtümern denen abzugeben, denen jetzt in großer Zahl von den Ablaßpredigern das Geld abgelockt wird.

52. Vergeblich ist das Vertrauen, durch Ablaßbriefe selig zu werden, selbst wenn der Ablaßkommissar, ja der Papst selbst seine Seele dafür zum Pfand setzte.

53. Feinde Christi und des Papstes sind die, die anordnen, wegen der Ablaßpredigt habe das Wort Gottes in den übrigen Kirchen völlig zu verstummen.

54. Beleidigung widerfährt dem Wort Gottes, wenn in ein und derselben Predigt dem Ablaß die gleiche oder mehr Zeit eingeräumt wird als ihm selbst.

55. Die Meinung des Papstes muß unausweichlich die sein: Wenn man den Ablaß (der das Geringste ist) mit einer Glocke, einer Prozession und einem Gottesdienst feiert, so muß das Evangelium (das das Höchste ist) mit hundert Glocken, hundert Prozessionen, hundert Gottesdiensten gepredigt werden.

56. Die Schätze der Kirche, aus denen der Papst den Ablaß erteilt, sind dem Volke Christi weder genau genug bezeichnet noch bekannt.

57. Zeitliche Schätze sind es offensichtlich nicht, denn diese teilen viele Prediger nicht so freigebig aus, sondern häufen sie nur an.

58. Auch die Verdienste Christi und der Heiligen sind es nicht, denn diese bewirken jederzeit ohne den Papst Gnade für den inneren Menschen sowie Kreuz, Tod und Hölle für den äußeren Menschen.

59. Als Schätze der Kirche bezeichnete St. Laurentius die Armen der Kirche, aber er redete nach dem Sprachgebrauch seiner Zeit.

60. Mit voller Überlegung bezeichnen wir die Schlüssel der Kirche (die ihr durch das Verdienst Christi geschenkt sind) als jenen Schatz.

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