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Eine Predigt an die Laien in ihrer eigenen Sprache – Johann Geiler von Keysersberg, Die Emeis (20. März 1508)

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Ich sprich zum .VI. Wie wol ein oberer nit kan alle bresten abstellen und seine unterthon reformieren als er gern tet, so sol er doch allen seinen fleiß ankeren, dz selb zethun, und wan er dz sein hatt gethon, und man wil im nit folgen, so hat er noch dennocht seinen lon von got dem herren, wan got belont den willen wa daz ußer werck nit mag sein, als hie ist. Nim das exempel, wen ein Mörin in ein badstub gieng, der bader rib und wüsch sie, sie würt aber nit weiß, noch můstu dem bader dz gelt geben. Es hilfft gar wol zů einem gůten leben, ein gůter oberer, ein gůter hirtt, und darumb, wan man ein gůten obern, ein gůten hirten, ein gůten bischoff, ein gůten pfarrer uberkumpt, so sol man got trülich für in bitten. Darumb ist das ein gewonheit der heiligen kirchen, dz man für den bapst bitet, für den bischoff, für den künig, für ein gantzen rat. Daz ist von manchen groben leien, der es veracht, spricht etwan, dz got dem bischoff, denen im rat den ritten[?] geb, wz hab ich mit inen zeschaffen, wz gon sie mich an, dz ich für sie biten sol. O, es geht dich vil an. Was gat die in eim schiff der schiffman an? Aller deren leben und heil, die ym schiff seind, hangt am schiffman. Wan einer im schiff den schiffman wolt schlahen, so lieffen alle die zů, die im schiff weren. Wan, warumb, solt man in uber ußwerffen oder erstechen, so künt keiner mer faren, unnd gieng dz schiff under. Also, als unser heil hangt am obern, daz heilig bistumb hanget am bischoff, das heil diser stat hangt an dem ratt, wan die wol regieren, weiß und gerecht seind, so ist uns desterbaß.

Zů dem sybenden sprich ich: Du sprichst, so nun ein oberer nit kan reformieren ein closter, ein stifft etc. sol er nit straffen, wan er sicht, dz man unrecht thůtt. Ich sprich, ja, er sol straffen dapferlich, doch mit maß und mit bescheidenheit. (Argue obsecravi crepa ad Thimot.) Straff bitt treu. Man můß darumb alle ding nicht mit barthen behauwen zů dem rühesten durchin gon. Es wz ein sprichwort, keiser Sigmunds, der sprach (Nescit regere qui nescit dissimulare). Wer nicht kan durch die finger sehen, der kan auch nicht regieren. Man sol straffen, wan es nutz bringt, wan aber grösser schaden mag entspringen auß seiner straff, den er nutz schüffe durch sein straff, so sol er nit straffen. Solen ein oberer etwan ein straffen und der selb würde nur dester harter und verkerter, so sol er in nit straffen. Er sol aber dem selben zů mercken geben, das er es weiß. Er kumpt auch etwan solt er es nit straffen, so kem grosser schad darauß, wan die andern würden und er auch dester bößer und frevenlicher davon, wan sie sehen, das man dz nitt strafet, da sol man straffen. Wan schon der nit gebessert würt, den man straff, also sol grosse bescheidenheit da sein in straffen, dz man alwegen den grosseren schaden fürkum.



Quelle: Johann Geiler von Kaysersberg, Die Emeis, in Quellen zur Reformation 1517-1555, herausgegeben von Ruth Kastner. Darmstadt: WBG, 1994, S. 31-36.

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