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Eine Predigt an die Laien in ihrer eigenen Sprache – Johann Geiler von Keysersberg, Die Emeis (20. März 1508)

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Zů dem fünfften sprich ich: Du sprichst, mich dunckt, dz dy obern schuldig sein, das man so übel lebt in allen standen, wan warumb. Wen die oberen wol vor anhin giengen und recht theten, so giengen die underthonen nahin, und ist umb sie als umb ein leithammel. Der gat den pfaffen vor, unnd wa er anhin gat, so zottren die andern schaff alsamen nahin. Ein oberer, der ist der leithammel und solt seinem underthonen wol vorgon. Es spricht sant Gregorius, wann der hirt über die flů und felßen gon wil und über die scharpffen eck der hohen berg, so fallen die schof zetod über abhin. Wan aber der hirt uff einer breiten matten gieng seinen scheflin vor, und sie da weidten, so weren sie sicher. Also ist es mit den obern auch. Darumb, so sprichstu, was sollen wir thůn, so wir so bös obern und hirten haben. Wan ein roller nit gůte pferd hat, was will er gůtz faren, und wan die zeförderst uff dem wagen so heßlich unnd ungeschaffen seind, wie sein erst die hinden in dem wagen sitzen. Ich gib dir antwurt unnd sprich, das dein obern seind ein grosse ursach, das man in stetten übel lebt, und man unrecht thůt. Sie seind aber die gantze ursach. Wan du hast dein eignen freien willen, den mag dein oberer dir nit nemen noch zwingen, wann er dir ein ding sagt, gebüt und verbüt, was kan er mehr thůn, und wan du unrecht thůst, so strafft er dich darumb, er kan nit me thun, darumb, du bist ein unvernünfftiger mensch, wer dein oberer ein gantz ursach deiner irrung, so hetest du kein sünd daran, und würde dich got nit straffen. Aber dy obern sein grosse ursach daran, aber nit die gantz ursach. Du sprichst, es solt aber also sein, das die obern voranhin solten gon. Es solt gewiß also sein, es ist aber nit also. Ja, sprechen etwan die obern und die undern, man hat es vor auch gethon, dy alten sein nit narren gewest. Es sein etlich alt narren gewest, ettliche alt sein witzig gewest, als du noch witzig also gethon. Du soltest nit warnemen, wy man gethon het und man thů. Du soltest warnemen, wz man thun solt, und dz ist dy menung Senece (Nemo curat quid faciendo sed quid fiat.). Und ist war, wen die obern recht vorgiengen, so wer es besser uf erdtreich dan es ist. Ach gott, wan dz haupt kranck und siech ist, so seind alle glider erschlagen und schwach. Aber dz würt dich underthon nit entschuldigen, dz dein oberer böß oder gůt ist. Wiltu dich entschuldigen und folgest nach dem oberen, so er böß ist. Warumb folgestu im auch nit nach, wan er gůt ist, da wiltu nit an, warumb, du hast des bösen gewont, und daz gůt kumpt dich hart an. [ . . . ] Einer, der gewont hat frü uff zeston am morgen, der stot mit freuden uff und gern. Aber ein fuler und treger, der wendet sich dreimal umb und ist im ein bürde uffzeston. Ja sprichstu, so vil mich ein gůt werck hartt ankumpt, in so vil es mir schwerer ist, sovil es mir verdienlicher ist. Nein, nein, die schwere und harte ist deiner ungewonlicheit halb und deiner ungeschickte halb, wan es ist böß recht thun, da man es nit gewont hat, die schwere meret dir nit den lon, sie müst des werkßhalb sein, wan warumb, wan die harte deinethalben dz werck dir verdienlicher mechte, so wer ein werck im anfanck dir verdienlicher dan so du es .x. oder .xx. jar gethon hetest. Wan im anfang kam es dich übel und hartt an, und so du es lenger thůst, je leichters dir würt, und wan du es .xx. jar hast gethon, so thustu es mit freuden und hast süssigkeit darin, so wer es dir minder verdienlich, dz ist aber nitt war. Also hastu, dz ein gemein reformacion nit geschehen mag. Es ist hert, aber nit unmüglich, und wie kein hofnung ist, das es besser werd, und wie die oberen nit die gantz ursach seind, aber ein grosser teil, dz man übel lebt. Du hast auch, wie ale stant verderbt sein und dy undern zerbrochen.

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