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Dem Beispiel Christi folgen – Thomas von Kempen, Die Nachfolge Christi (ca. 1418)

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Das 12. Hauptstück
Das Kreuz — der Königsweg zum Himmel.

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10. Mache dich also gefaßt, als ein guter, treuer Knecht Jesu Christi das Kreuz deines Herrn ihm heldenmüthig nachzutragen, der ja aus Liebe zu dir am Kreuze starb.

Bereite dich nur, viel Widriges und mancherlei Drangsale zu ertragen in diesem Leben. Denn so wird es mit dir gehen, wo du immer bist; und so wirst du es in der That überall finden, wo du dich immer verbirgst. Es muß auch so sein, und es ist nun einmal kein anderes Mittel, den Verfolgungen der Bösen, und überhaupt dem Leiden zu entgehen, als daß du leidest.

11. Trinke also den Kelch des Herrn mit herzlicher Liebe, wenn du anders sein Freund sein und Theil mit ihm haben willst.

Die Tröstungen überlaß Gott; er mache es damit, wie es ihm gefällt.

Du aber schicke dich an, Leiden zu erdulden, und halte sie für die größten Tröstungen; denn die Leiden dieser Zeit sind nicht werth der Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll; (Koem. 8, 10.) und du könntest diese nie verdienen, wenn du auch alle Leiden allein zu erdulden vermöchtest.

Wenn es einmal bei dir so weit gekommen ist, daß dir die bittern Leiden süß schmecken um Christi willen; dann darfst du glauben, daß es gut mit dir stehe dann hast du das Paradies auf dieser Erde gefunden.

So lange dich aber die Leiden schwer drücken, und du ihnen gern entfliehen möchtest, so lange wirst du immer die liebe Noth haben, denn das Leiden wird dir überall nachlaufen und dich überall einholen, wo du immer hinfliehen magst.

12. Wenn du dich nur darauf gefaßt machst, worauf du gefaßt sein sollst, nämlich zum Leiden und Sterben, so wird es mit dir bald besser werden, und du wirst den Frieden finden.

Wärest du gleich mit Paulus in den dritten Himmel entzückt, so wärest du doch vor Widerwärtigkeiten nicht sicher; du müßtest dennoch leiden. Denn von Paulus sprach ja Christus: „Ich will ihm zeigen, wie viel er um meines Namens, willen wird leiden müssen." (Apg. 9, 16.)

Es bleibt dir also nichts übrig, als Leiden, wenn du Jesum lieben und ohne Unterlaß ihm dienen willst.

13. O möchtest du nur würdig sein, um des Namens Jesu willen etwas zu leiden! Welch’ eine große Herrlichkeit würde dir zu Theil werden! Welche Freude würden alle Seligen Gottes daran haben! Welche Erbauung dein Nächster! Die Geduld empfehlen Alle, obgleich nur wenige dulden wollen.

Allerdings solltest du gern ein wenig leiden um Christi willen, da Viele viel schwerere Leiden um der Welt willen gerne dulden.

Das soll dir einmal gewiß sein, daß du ein Sterbens-Leben hier führen mußt (daß sterben dein Leben, oder dein Leben ein lauteres Sterben sein soll); denn jemehr einer sich selbst stirbt, desto mehr fängt er an Gott zu leben.

14. Niemand ist fähig Himmlisches zu verstehen, als der sich dazu versteht, um Christi willen Widriges zu leiden.

Nichts ist Gott angenehmer, nichts dir heilsamer in dieser Welt, als gern für Christus leiden.

Und wenn dir freie Wahl gelassen würde, so solltest du lieber wünschen, Widriges um Christi willen zu leiden, als mit vielen Tröstungen erquickt zu werden; denn durch Leiden würdest du Christo ähnlicher und allen Frommen gleichförmiger.

Unser Verdienst und unser Wachsthum im Leben des Geistes besteht nicht im Genusse vieler Süßigkeiten und Tröstungen, sondern im Erdulden schwerer Leiden und großer Trübsale.

15. Wenn es etwas Besseres und Nützlicheres für das Heil der Menschen gäbe, als das Leiden, so hätte es uns Christus gewiß mit Wort und Beispiel angezeigt. Denn sowohl seine Jünger, die ihm nachfolgten, als alle Andere, die ihm nachfolgen wollten, hat er offenbar nur dazu angewiesen, das Kreuz zu tragen, indem er sprach: Wenn mir Jemand nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich, und folge mir nach. (Luk. 9, 23.)

Wenn man also Alles durchlesen und durchforschet hat, so bleibt es bei diesem Schlusse: (Apg. 14, 22.)

Daß wir durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen müssen.



Quelle der deutschen Übersetzung aus dem Lateinischen: Thomas à Kempis, Die Nachfolge Christi, übersetzt von Wilhelm Ebert. Hannover, 1905, S. 49, 51, 54, 55-56.

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