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Die Lehre einer mystischen Theologie – Theologia Deutsch (14. Jahrhundert, veröffentlicht 1516 und 1518)

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Were eß moglich, das eyn mensch also gar vnd luterlich an sich selbir vnd an alle yn dem waren gehorsam were, als Cristus menscheit was, der mensche were an sunde vnd ioch eyns mit Cristo, vnd das selbe von gnaden, das Cristus was von natur. Aber man spricht, eß muge nicht seyn. Dar vmmb spricht man auch, nymant sey ane sunde. Aber wie daz sey, also sey eß. Doch ist das ware, so man dissem gehorsam nehir ist, so ye mynner sunde, so man ye verrer ist, ßo ye meher sunde. Kurtzlich ab der mensch gut, besser ader aller beßt sey, boß, boßer ader aller bòßt, sundig ader selig vor gote, das liet alczumal an dißem gehorsam vnd vngehorsam. Dar vmmb ist auch geschriben: So ye meher selbheit vnd icheit, ßo ye mer sunde vnd boßheit, ßo diß mynder, ßo auch des mynder. Auch ist geschriben: So meyn ich, das ist icheit vnd selbheit, mer ab nympt, ßo gotis ich, das ist got selber, mer zu nympt yn mir.

Sich, weren alle menschen yn dem waren gehorsam, ßo were kein leyd noch leiden, sundern lichte, synneliche leiden; das were aber nicht czu clagen. Das merck man: Wanne were ym also, ßo wern alle menschen eyns vnd nymant thet dem andern leid noch leiden an. So lebete vnd thete auch nymant wider got. Wo von sold danne leid vnd leiden komme? Abir nu leider synt alle menschen vnd alle die werlt yn vngehorsam. Wer nu eyn mensch luterlich vnd gentzlich yn dem gehorsam, also wir gleuben, das Cristus were vnd ioch was, er were anders nit Christus geweßen, ym were aller menschen vngehorsam eyn jemmerlich, bittirlich leiden, wanne alle menschen weren wider yn. Das merck man: Wanne der mensch yn dißem gehorsam wer eyns mit got, vnd got were selber ioch do der mensch.

Sich, nu ist alle vngehorsam wider got vnd anders nichts. In der warheit got ist nicht wider noch keyne creatur ader creaturen werck ader alles, das man genennen ader erdencken kan, ist nicht wider got ader got vnbeheglich danne alleyne der vngehorsam vnd der vngehorsam mensche. Kurtzlich alles, das do ist, behaget vnd gefellet got wol an alleyne der vngehorsam. Vnnd der vngehorsam mensche behaget ym also vbel vnd ist ym also gar wider vnd claget also ßere do von, das an der stat, do der mensche vnlidenlich vnd des befintlich vnd fullich ist, das ym wider ist, gerner hundert tode wulde leiden, uff das er den vngehorsam yn eyme menschen ertodet vnd seynen gehorsam da wider geberen mochte. Sich, alleyn nu lichte keyn mensche also gar vnnd luterlich yn dißem gehorsam ist, also Cristus was, nu ist doch moglich eynem menschen, also nahe dar czu vnd bey czu kommen, das er gotlich vnd vorgotet heißet vnnd ist. Vnnd so der mensche dissem ye nehir kumpt vnnd gotlich vnd vorgotet wirt, ßo ym alle vngehorsam, sunde vnd vngerechtikeit leit ist vnnd wirßer thut vnd groß, bitter liden ist. Vngehorsam vnd sunde ist eyns. Eß ist keyn sunde den vngehorsam vnnd was auß vngehorsam geschiet.



Quelle: Wolfgang von Hinten, Hg., Der Frankforter („Theologia Deutsch“). Kritische Textausgabe. München und Zürich: Artemis, 1982, S. 85-93.

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