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Die neue Linke (25./26. Juni 2005)

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Noch wirkt das Linksbündnis so nostalgisch. Käme es zustande, würde es das Versprechen übernehmen, jene zu vertreten, die als soziale Figuren anachronistisch geworden scheinen: Dauerarbeitslose, Bewohner randständiger Regionen, arme Rentner. Deren Interessen wären gegen die der Jüngeren, Wohlhabenden, Flexiblen zu behaupten, die einwenden werden, dass es nicht gerecht ist, auf Kosten anderer zu leben, dass der Sozialstaat, wie wir ihn kennen, die Freiheit über Gebühr einschränkt. Darüber muss im Parlament, nicht in SPD-Versammlungen gestritten werden.

Trotz Lafontainschen Größenwahns wird das Bündnis keine Partei für alle links der Mitte werden. SPD und Grüne haben sich ja auch keineswegs dem ominösen Neoliberalismus verkauft. Aber den enttäuschten West-Linken, Gewerkschaftern, Betriebsräten mit exorzistischer Inbrunst nachzurufen, sie seien von aller Vernunft verlassen, ist blauäugig und gefährlich. Wenn das Land sich ändern muss, wenn das Reformgerede mehr ist als Hysterie, müssen die Verlierer im Parlament vertreten sein. Ein taktischer Linksruck der SPD würde die Konflikte nur auf Zeit kaschieren, Teile der neuen Mitte frustrieren. Zu einer offenen, differenzierten Gesellschaft gehören mehrere kleine Parteien. Wer die Aufgeregten als Normalfall betrachtet, zwingt sie, einer Politik der Gesten eine ehrliche Klientelpolitik folgen zu lassen.



Quelle: Jens Bisky, „Die Aufgeregten. Die nostalgische Linke passt bestens in die Gegenwart“, Süddeutsche Zeitung, 25./26. Juni 2005.

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