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Politische Verfolgung des ehemaligen KZ-Häftlings und Kommunisten Ernst Busse (1950er Jahre)

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III. Anna Busse an den Chef der Privatkanzlei des Staatspräsidenten der DDR, Otto Winzer, 4. November 1955


Werter Genosse Winzer,

daß sich in diesen Tagen alle meine Gedanken nur auf einen Fall richten, kannst Du Dir wohl denken. Du weißt, daß ich im März ds. Js. in meiner persönlichen Angelegenheit mit Dir viele Telefongespräche führte und von Dir das Versprechen erhielt, nunmehr auf schnellstem Wege zu einer Klarstellung in der Frage meines Mannes zu gelangen.

Du hast mir damals das Versprechen gegeben, mich unbedingt zu benachrichtigen. Jetzt befinden wir uns nach den vielen Entlassungen aus der Sowjetunion vor einer Situation, in der ich mir keine Antwort mehr darüber geben kann, warum ich bis heute weder von Ernst noch von Dir etwas erfahren habe.

Kannst Du Dir meine heutige Verfassung auch nur annähernd vorstellen? Ich muß als Genossin, als Kämpfer, aber auch als Mensch weiterleben. Ich kann es nicht mehr mit ansehen, wie die jetzt fast 80 Jahre alte Mutter von Ernst nach dieser neuen absoluten Unklarheit geradezu zugrunde geht. Ich selbst kann diese Situation auch nicht mehr ertragen.

Vielleicht darf ich Dich bitten, mir nunmehr unbedingt eine Aussprache mit Dir zu ermöglichen. Ich nehme an, daß gerade an Deiner Stelle über die Entlassungen aus der Sowjetunion jetzt völlige Klarheit besteht. Ich bitte Dich ebenso höflich wie eindringlich, mir schnellstens zu antworten.

Mit sozialistischem Gruß!
[Hinzufügung von der Hand Anna Busses]
17. Juni 1956

Mitteilung[:] 1952 verstorben



Quelle: Lutz Niethammer, Hg., unter Mitarbeit von Karin Hartewig, Harry Stein und Leonie Wannemacher, Der ›gesäuberte‹ Antifaschismus. Die SED und die roten Kapos von Buchenwald. Dokumente. Berlin: Akademie-Verlag, 1994, S. 384-87, 398 f.

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