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Wilhelm Groener über den Ebert-Groener Pakt (Rückblick 1957)

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1. Die militärische Kommandogewalt liegt allein bei den Kommandobehörden.

2. Das Vorgesetztenverhältnis des Offiziers und die damit zusammenhängenden Bestimmungen sind restlos wiederherzustellen. Besonders möchte ich hierbei auf die unbedingte Notwendigkeit der Grußpflicht hinweisen, die für die Disziplin von entscheidender Bedeutung ist. Es ist ein Unding, Disziplin zu fordern und gleichzeitig das Vorgesetztenverhältnis außer Dienst aufzuheben. Keine Armee der Erde kennt eine solche Bestimmung.

3. Die S.-Räte müssen aus der Truppe verschwinden; lediglich Vertrauensleute können bestehenbleiben, die die Vorgesetzten über die Stimmung der Mannschaften auf dem laufenden halten und deren Wünsche mit Beschwerden übermitteln. Eine Mitwirkung dieser Vertrauensräte bei der Ausübung der Befehlsgewalt ist durchaus auszuschließen. ...

In Ihre Hände ist das Schicksal des deutschen Volkes gelegt. Von Ihrem Entschluß wird es abhängen, ob das deutsche Volk noch einmal zu einem neuen Aufschwung gelangen wird. Ich bin bereit und mit mir das ganze Heer, Sie hierbei rückhaltlos zu unterstützen. ...“

Vom 10. Dezember ab zogen die Truppen in Berlin ein, aber die angestrebte Wirkung, die Stärkung der Regierung, blieb aus, weil sich das Durcheinander der Berliner Gewalten und Personen einschließlich Ebert nicht zu einer ganzen Tat aufraffen konnten. Diese mußte rasch erfolgen, denn auch die ausgesiebten Truppen des Feldheeres erlagen auf die Dauer der revolutionären Luft der Hauptstadt. Weihnachten zu Hause feiern wurde zur Parole, die Leute waren nicht mehr zu halten. Eberts für das soldatische Empfinden völlig unverständliche Verhalten am 23. Dezember, der, als er von der Volksmarine-Division des Matrosen Dorrenbach in der Reichskanzlei gefangengesetzt war, den zu seiner Befreiung anrückenden Soldaten das Schießen verbot, hat den Kampfgeist noch weiter herabgedrückt.

In der Nacht vom 23. zum 24. Dezember traf das Generalkommando Lequis die letzten Vorbereitungen zur Aushebung der Volksmarine-Division in Schloß und Marstall. Der Verlauf des 24. ist bekannt: nach anfänglichen Erfolgen wurde nachmittags durch das Anrücken großer Arbeitermassen mit Frauen und Kindern aus Richtung Alexanderplatz die Absperrung der Schloßinsel durchbrochen und der letzte Rest der Einzugsdivisionen zur Auflösung gebracht. Der Drang, an Weihnachten zu Hause zu sein, hatte sich stärker erwiesen als die militärische Disziplin. Der Einzug der Truppen war damit in seiner Wirkung endgültig mißglückt.

In die Ereignisse der Berliner Tage habe ich wenig persönlich eingegriffen; nur zweimal sah ich mich gezwungen, Ebert scharf auf die Bedingungen unseres Bündnisses hinzuweisen.

Den ersten Anlaß gab die auf dem Kongreß der A. u. S.-Räte in Berlin am 18. Dezember gegen die Offiziere verfaßte Resolution, die durchgeführt die Räteherrschaft und die völlige Auflösung der Disziplin bedeutet hätte. Die Mehrheitssozialisten ließen sich einschüchtern. Darauf antwortete die O.H.L. mit einem Telegramm, in dem Hindenburg für seine Person und mich mit sofortigem Rücktritt drohte, wenn sich die Regierung auf den Boden dieser Resolution stellte. Abends am Telephon machte ich Ebert in der schärfsten Form klar, daß die Heeresleitung mit dieser Frage stehe und falle. Ebert bat mich, nach Berlin zu kommen; ich sagte zu, um auch die letzte Möglichkeit, die Regierung Ebert zu stützen, nicht unversucht zu lassen. An die Armeeoberkommandos aber erging ein Fernschreiben des Inhalts:

„Ich erkenne die von dem Zentralrat der A. u. S.-Räte am 18. 12. 18 in Berlin gefaßte Resolution betreffend Vereinbarungen im Heerwesen, insbesondere in der Stellung von Offizier und Unteroffizier, nicht an.

Ich bin der Auffassung, daß eine solch tief in das Leben der Nation einschneidende Veränderung nicht von einer einseitigen Ständevertretung, sondern nur von der durch das ganze Volk berufenen Nationalversammlung getroffen werden kann.

Das Heer steht nach wie vor loyal zu der Regierung Ebert und erwartet von dieser, daß sie die von ihr gegebenen Zusagen über den Bestand des Heeres und Richtlinien über die Befugnisse der Vertrauensräte des Heeres weiter als maßgebend anerkennt und dadurch dem Offiziers- und Unteroffizierskorps ermöglicht, weiter Dienst zu tun.

Ich bin in diesem Sinne bei der Regierung vorstellig geworden. Es bleibt daher bei den bisher gegebenen Befehlen.“



Quelle: Wilhelm Groener, Lebenserinnerungen, Jugend, Generalstab, Weltkrieg, herausgegeben von Friedrich Frhr. Hiller von Gaertringen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1957, S. 472-75.

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