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Rede von Friedrich Julius Stahl gegen eine Abschaffung der preußischen Verfassung (1853)

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Ich behaupte keinesweges, daß verbürgte Rechte nicht anders möglich seien, als durch geschriebene Gesetze; daß ächte Freiheit nicht möglich sei, als durch Kammern. Es giebt hiefür mancherlei Formen und Wege. Allein es ist nicht männlich, Wege und Formen immerdar zu wechseln, statt vielmehr den Weg, auf welchen wir durch die Providenz nun einmal gestellt sind, beharrlich und muthig bis ans Ende fortzugehen. (Bravo!)

Es ist noch weniger männlich, weil das Zerrbild der Freiheit zu Schanden geworden ist, auch den Glauben an das Urbild der Freiheit aufzugeben. (Bravo! Ruf: Sehr richtig! von der Linken.)

Unsere Verfassung trug nach einem Königlichen Ausspruch den breiten Stempel ihres Ursprunges an sich; nun dieser Stempel wird von Jahr zu Jahr schmäler. (Stimmen links: Nur nicht zu schmal.) Streichen wir die Verfassung aus, so haben wir die Schäden der Revolution aufgehoben, aber auch ihren Gewinn. Gehen wir dagegen den Weg, den wir seit drei Jahren gegangen sind, fort, Schritt vor Schritt die Güter, die wirklich zerstört und beschädigt sind, wieder herzustellen, auf dem Wege der öffentlichen Besprechung und durch sie der inneren Ueberzeugung, so werden wir sie doppelt wieder gewinnen, wir werden sie fester machen und zugleich ihren Werth im öffentlichen Bewußtsein steigern. Wir haben dann nicht blos diese Güter selbst, sondern auch die richtige Würdigung derselben in der Nation errungen, welche ihr Unterpfand für die Zukunft ist. (Bravo rechts.)

Ja, unsere Verfassung, wie sie da liegt, ist noch ein Denkmal von dem schweren Fall Preußens und dadurch ein Denkmal von der Schmach Preußens. Aber es frommt nicht, dieses Denkmal zu vernichten, sondern durch Thaten der Loyalität und der politischen Weisheit Zug um Zug seine Inschrift umzuwandeln, damit es stehen bleibe durch die Zeiten als ein Denkmal von Preußens Wiederaufrichtung, als ein Denkmal von Preußens Ehre. Deshalb stimme ich für die Tagesordnung. (Lebhafter Beifall.)



Quelle: Friedrich Julius Stahl, Siebzehn parlamentarische Reden und drei Vorträge. Berlin: Wilhelm Hertz, 1862, S. 27-36.

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