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SPD-Vorsitzender Oskar Lafontaine kritisiert die Globalisierung (25. Juni 1997)

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Wir brauchen eine bessere internationale Koordinierung der Wirtschafts-, Finanz- und Geldpolitiken. Diese Koordinierung ist unverzichtbar, wenn es zu einer Stabilisierung des Weltwährungssystems und zu mehr Wachstum und Beschäftigung kommen soll. Wenn die globale Beschäftigungskrise überwunden werden soll, dann brauchen wir eine internationale Wachstumsoffensive. Dazu gehört, daß die nationalen Zentralbanken in enger Abstimmung mit den Finanzpolitiken der beteiligten Staaten alle Zinssenkungsspielräume ausschöpfen. [ . . . ]

Aus deutscher Sicht kann man sagen, daß die neue internationale Arbeitsteilung die wirtschaftlichen Strukturen der Industrieländer verändern wird. Arbeitsintensive Produktionen, die dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, werden immer mehr in Länder mit niedrigeren Lohnkosten abwandern. Es darf nicht verkannt werden, daß die Internationalisierung der Wirtschaft zunehmend auch Länder außerhalb Nordamerikas, Europas und Ostasiens betrifft. In diesem Zusammenhang macht sich in den industrialisierten Ländern sehr oft ein Gefühl der Beunruhigung breit. Diese Beunruhigung läßt jedoch viele dynamische Faktoren außer acht: die weitere Entwicklung von Technik und Produktivität in den Industrieländern und nicht zuletzt auch die ökonomischen und sozialen Entwicklungen, die in den Niedriglohnländern selbst im Zuge ihrer wirtschaftlichen Entwicklung eintreten werden.

Gerade für die Bundesrepublik mit einer traditionell starken Investitionsgüterindustrie ist der Aufholprozeß der sich entwickelnden Staaten eine große Chance. Eine Abschottung gegenüber diesen Staaten ist jedenfalls keine Lösung. In dem Maße, wie sich diese Länder in den Weltmarkt integrieren, werden sie auch immer mehr zu verläßlichen Partnern internationaler Zusammenarbeit werden. Diese Perspektive zeigt nur, daß der aufgezeigte internationale Ordnungsrahmen schrittweise immer mehr Partner umfassen wird. Wenn die neuen großen Chancen der Globalisierung genutzt werden sollen, dann brauchen wir neues Denken in der Politik, aber vor allem in der Wirtschaftspolitik. Wir brauchen eine bessere internationale Zusammenarbeit der Politik, die an die Stelle von Resignation, Sozialdumping und Protektionismus tritt. Damit können wir den verhängnisvollen realwirtschaftlichen Abwertungswettlauf der Nationalstaaten überwinden. [ . . . ]



Quelle: Rede des SPD-Vorsitzenden, Oskar Lafontaine, vor der Friedrich-Ebert-Stiftung am 25. Juni 1997, abgedruckt in Internationale Politik, Nr. 5, 1998, S. 64-67.

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