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Kanzler Kohl befürwortet Anstrengungen zur Erhöhung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit (25. März 1993)

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Tatsache ist, daß innerhalb und außerhalb der EG Jahr für Jahr neue attraktive Standorte entstehen, die miteinander in Wettbewerb um Investitionen und Arbeitsplätze eintreten. Wir müssen uns jetzt auf diese Veränderungen einrichten. Wir müssen dabei einiges nachholen, was in früheren Jahren versäumt wurde.

Wir haben im Bundeskabinett nach einer langen Diskussion beschlossen, daß die Bundesregierung — die Vorarbeit wird vom Bundesminister für Wirtschaft geleistet — eine Vorlage erarbeitet, die wir im September im Bundestag zur Diskussion einbringen wollen. Ich erwarte von einer solchen Diskussion eine fruchtbare und engagierte Auseinandersetzung über die Zukunft des Landes, und zwar über den Tag hinaus.

Ziel einer solchen Bestandsaufnahme muß sein, neue Lösungsansätze vorzuschlagen, über das notwendige Umdenken zu sprechen und es einzuleiten. Aus meiner Sicht ist das gleichzeitig eine Einladung an alle gesellschaftlichen Gruppen in unserem Land, sich mit eigenen Vorschlägen an dieser Diskussion zu beteiligen. Dazu sind alle aufgerufen: Parteien, Gewerkschaften, die Wirtschaft, Verbände, die Kirchen, wer immer sich daran beteiligen kann und mag. Ich möchte hinzufügen: Alle, die dem jetzigen Zeitgeist huldigen, indem sie vor allem die Parteien in den Mittelpunkt ihrer Kritik stellen, sind ganz besonders eingeladen, neue Ideen in diese Diskussion einzubringen.

Die Daten und die Tatsachen sind bekannt. Aber man muß sie ständig wiederholen, damit uns klar wird, wo wir anzusetzen haben. Wir sind jetzt ein Land mit immer jüngeren Rentnern und immer älteren Studenten. Mit immer kürzerer Lebensarbeitszeit und kürzerer Wochenarbeitszeit und immer mehr Urlaub gerät die Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr. Das sind einfach die Tatsachen.

So sehr ich wie Sie alle jedem von uns Freizeit gönne: Wahr ist auch, daß sich eine erfolgreiche Industrienation nicht als kollektiver Freizeitpark organisieren läßt. Jenseits aller parteipolitischen Unterschiede wissen wir doch auch, daß die große Mehrheit unserer Bürger diese Überzeugung längst gewonnen hat. Sie ist bereit, die notwendigen Änderungen zu akzeptieren. Wir müssen uns in der Politik, in den Verbänden, überall fragen, ob wir uns noch alte Schlachten um Besitzstände und Ansprüche leisten können, obwohl die Wirklichkeit längst über sie hinweggegangen ist.

Wer immer die Interessen einer Gruppe vertritt — das ist legitim, und ich bin weit davon entfernt, mich jener Heuchelei hinzugeben, über Interessengruppen herzuziehen —, muß wissen, daß die Prioritäten neu bestimmt werden müssen, daß wir Gewohnheiten ändern müssen, daß Ansprüche zurückgesteckt werden müssen. Das bedeutet überhaupt nicht, daß wir dabei im Lande an Lebensqualität verlieren. Jeder weiß doch, daß die Lebensqualität nicht allein davon abhängt, ob die Arbeitswoche 35, 36 oder 40 Stunden hat.

(Zuruf von der SPD)

— Ich weiß gar nicht, warum Sie das nicht mit Ruhe anhören. Sie wissen doch, daß es so ist. Sie werden in keiner Unterbezirksversammlung etwas anderes sagen können, wenn Sie auf diese Fragen angesprochen werden.

Wir können in dieser Sache ganz unterschiedlicher Meinung sein. Ich bitte wegen der Bedeutsamkeit der Fragen nur darum, daß wir uns — dieses Jahr ist ja keine Wahl mehr — im Laufe des Jahres neben anderen Fragen — die es in ausreichender Zahl gibt und über die wir genug streiten können — die Zeit nehmen, darüber zu diskutieren und zu beraten, welches die zentralen Zukunftsaufgaben sind und was für Konsequenzen wir daraus ziehen.

Schon heute sind mehr als 20 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland über 60 Jahre alt. Die Zahl der über 85jährigen steigt bis zum Jahre 2000 auf 1,5 Millionen. In der Alterssicherung haben wir mit dem Rentenreformgesetz 1992 — das war auch ein Werk, das gemeinsam geschaffen wurde — auf diese Entwicklung reagiert.

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