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Die CDU verabschiedet ein neoliberales Programm (23. Februar 1994)

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Wettbewerbspolitik

78. Die Freiheit des einzelnen und die Offenheit der Gesellschaft sind Voraussetzungen für Wettbewerb. Der Wettbewerb ist seinerseits Grundlage für Chancenvielfalt. Wir wollen individuelle Chancengerechtigkeit sichern, Märkte offen halten und unlauteren Wettbewerb unterbinden. Wo die Konzentration wirtschaftlicher Macht das Prinzip des Wettbewerbs verletzt, ist die Wahlvielfalt der Bürger und die Wirkung des Marktes beeinträchtigt. Der Staat muss deshalb der Konzentration wirtschaftlicher Macht entgegenwirken.

Wir treten dafür ein, wettbewerbsrechtliche Sonderregelungen für die Bereiche Verkehr, Versicherung, Banken, Energie- und Versorgungswirtschaft, Arbeitsvermittlung und freie Berufe grundsätzlich den allgemeinen Wettbewerbsregelungen anzupassen.

Die Aufgaben der Wettbewerbspolitik verlagern sich zunehmend auf die europäische Ebene. Dabei dürfen die wettbewerbsorientierten Grundsätze des deutschen Kartellrechts nicht in Frage gestellt werden. Wir wollen, dass die Fusionskontrolle der Europäischen Union institutionell abgesichert und ein unabhängiges europäisches Kartellamt geschaffen wird. Neben der Fusionskontrolle verstehen wir es als weitere Elemente unserer Wettbewerbspolitik, staatliche Subventionen zu begrenzen und abzubauen, Wirtschaftsbetriebe mit staatlicher Beteiligung zu privatisieren und eine offensive Verbraucherpolitik zu vertreten, durch die der Verbraucherschutz gewährleistet ist.

Strukturpolitik

79. Beim Aufbau einer leistungsfähigen Wirtschaft in den neuen Bundesländern gibt es zu einem marktwirtschaftlichen Kurs und einer weiteren Privatisierung keine Alternative. Die besondere Situation in den neuen Bundesländern erfordert aber für eine längere Übergangszeit im Interesse der Menschen eine aktive Strukturpolitik. Dabei hat die Errichtung einer neuen und modernen Infrastruktur Priorität. Im gesamten Bereich der Wirtschaft streben wir eine möglichst weitgehende Privatisierung an. Nur durch den wirtschaftlichen Strukturwandel hin zu Unternehmen, die im Wettbewerb bestehen können, sind gleiche Lebensbedingungen in ganz Deutschland zu erreichen. Um diesen Wandel und eine industrielle Zukunft zu sichern, ist eine weitgehende — im Zeitablauf abnehmende — Flankierung durch staatliche Hilfen erforderlich. Um industrielle Kerne zu erneuern und industriell leistungsfähige Regionen als Wachstums- und Entwicklungspole zu gewinnen, wollen wir sanierungsfähige, aber noch nicht privatisierte Unternehmen an die Wettbewerbs- und damit Privatisierungsfähigkeit heranführen. Ziel dieser aktiven Strukturpolitik ist es, in den neuen Bundesländern eine zukunftsfähige, breit strukturierte Wirtschaft zu entwickeln.

Mit einer engeren Verknüpfung von Struktur- und Arbeitsmarktpolitik wollen wir den Zeitraum zwischen dem Wegbrechen alter, unrentabler und dem Entstehen neuer, wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze überbrücken und verkürzen sowie soziale Härten vermeiden und abschwächen. Zugleich soll erreicht werden, dass die vorhandenen qualifizierten Arbeitskräfte nicht abwandern, ihre Qualifikation verbessert wird und sie in ihrer Heimat eine tragfähige Beschäftigungsperspektive erhalten.

In den alten Bundesländern sind industrielle Beteiligungen und sonstige privatwirtschaftliche Unternehmen der öffentlichen Hand konsequent zu privatisieren. Außerdem können die Einrichtung und der Betrieb von Infrastrukturen im Bereich Verkehr, öffentlichen Planungsleistungen, Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie in der Energie- und Abfallwirtschaft soweit wie möglich privatisiert werden. Privatwirtschaftliche, durch Markt und Wettbewerb gesteuerte und kontrollierte unternehmerische Tätigkeit gewährleistet am besten wirtschaftliche Freiheit, ökonomische Effizienz und Anpassung an sich verändernde Marktverhältnisse. Soziale Flankierungen erfolgen durch die Ausgleichs- und Förderinstrumente der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, grundsätzlich dagegen nicht durch die unternehmerische Betätigung des Staates.

Ein kontinuierlicher Strukturwandel ist unverzichtbar, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Dieser Strukturwandel muss grundsätzlich der wettbewerblich geordneten Marktsteuerung überlassen werden. Staatliche Wirtschaftslenkung ist dazu nicht in der Lage. Aufgabe der Strukturpolitik kann es nur sein, die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen und Beschäftigten nach Kräften zu fördern und den Strukturwandel sozial abzusichern. Wo sektorale oder regionale Hilfen dazu notwendig sind, müssen sie zeitlich befristet, degressiv gestaltet und mit anpassungsorientierten Auflagen verbunden sein.

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Quelle: CDU, Grundsatzprogramm: „Freiheit in Verantwortung“ (1994)
www.grundsatzprogramm.cdu.de/doc/grundsatzprogramm.pdf

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