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Die CDU verabschiedet ein neoliberales Programm (23. Februar 1994)

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Soziale Ordnung

69. Wirtschafts- und Sozialordnung sind untrennbar miteinander verbunden. Sie begrenzen und ergänzen sich gegenseitig. Eine Wirtschaftspolitik ohne soziale Gerechtigkeit gefährdet den sozialen Frieden und führt zugleich zu volkswirtschaftlichen Verlusten und gesellschaftlicher Instabilität. Unsere soziale Ordnungspolitik verbindet die Prinzipien der Humanität und Wirtschaftlichkeit sowie der Leistungs- und Verteilungsgerechtigkeit. Sie zielt auf die Stärkung der Eigenverantwortung, auf persönliche Hilfe und aktive Solidarität.

Wir gestalten unsere soziale Ordnungspolitik nach den Prinzipien der Solidarität und Subsidiarität. Wir wollen gemeinschaftlich die Risiken absichern, die der einzelne nicht allein und aus eigener Kraft tragen kann. Grundlegende Elemente unserer sozialen Ordnung bleiben Versicherungspflicht und Leistungsgerechtigkeit sowie Dezentralisierung und Selbstverwaltung in den Sozialversicherungen.

Unsere Sozialordnung beruht zu einem erheblichen Teil auf der Solidarität zwischen den Generationen. Angesichts der tiefgreifenden demographischen Veränderungen dürfen wir diesen Generationenvertrag nicht überlasten. Es entspricht unserem Verständnis von Solidarität und Subsidiarität, angesichts des gewachsenen Wohlstandes die Absicherung von zumutbaren Risiken in die Eigenverantwortung des einzelnen zu übertragen.

Von besonderem Wert für unsere soziale Ordnung und für den Erfolg unserer Wirtschaft ist die soziale Partnerschaft. Ein Vergleich mit vielen anderen Industrieländern zeigt, wie hoch die produktive Kraft des sozialen Friedens einzuschätzen ist. Zur sozialen Partnerschaft in der Ökologischen und Sozialen Marktwirtschaft gehören vor allem Mitbestimmung, Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Tarifautonomie.

Die Tarifautonomie ist ein wichtiger Faktor unseres sozialen Friedens. Die Idee der Partnerschaft erfordert funktionsfähige Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Die Tarifpartner tragen besondere Verantwortung für Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität und Wachstum und damit für das Gemeinwohl. Zu den grundlegenden Elementen unserer sozialen Ordnung gehören ferner ein wirksamer Arbeitnehmerschutz, die Mitbestimmung und Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer und die soziale Partnerschaft ebenso wie die Gleichberechtigung von Frau und Mann.

Ökologische Ordnung

70. Wir Christliche Demokraten erweitern die Soziale Marktwirtschaft um eine ökologische Dimension. Stärker als bisher wollen wir die Kräfte und Steuerungsmechanismen der Marktwirtschaft einsetzen, um einen schonenden Umgang mit Natur und Umwelt zu erreichen. Ziel der Ökologischen und Sozialen Marktwirtschaft ist es, eine Synthese von Ökonomie, sozialer Gerechtigkeit und Ökologie zu schaffen.

Unsere Verantwortung für die Schöpfung muss auch unser wirtschaftliches Handeln leiten. Wir müssen die Vernetzung von Mensch, Natur und Umwelt zum Prinzip unseres Handelns machen. Grundlage der ökologischen Ordnung sind das Verursacher- und das Vorsorgeprinzip. Wir wollen, dass in Zukunft jeder die Kosten unterlassener Umweltvorsorge und der Inanspruchnahme von Umwelt tragen muss, die aus seinem Verhalten als Produzent oder Konsument entstehen. Das ist nur dann gewährleistet, wenn sich diese Kosten in ökologisch ehrlichen Preisen niederschlagen. Damit setzen wir Signale und schaffen Anreize zu umweltschonendem Verhalten.

Marktwirtschaftliche Anreize und das gesetzliche Ordnungsrecht sind die Instrumente zur Verwirklichung dieser Ziele. Über beide Instrumente kann die Knappheit der Naturgüter erfasst werden. Ausgehend von der Verantwortung des einzelnen in der Ökologischen und Sozialen Marktwirtschaft treten wir dafür ein, zunächst alle Chancen zur Kooperation zu nutzen, bevor staatliche Regelungen eingesetzt werden müssen. Wir werden auch künftig das ökologische Ordnungsrecht mit gesetzlichen Ge- und Verboten, Grenzwerten, Auflagen und Genehmigungserfordernissen zur wirkungsvollen Abwehr von unmittelbaren Gefahren für Mensch und Umwelt benötigen. Um die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft der Wirtschaft verstärkt in den Dienst der Umwelt zu stellen, wollen wir aber mehr als bisher ökologische Ordnungselemente im Steuerrecht, Umweltabgaben, Kompensationsmöglichkeiten, Zertifikats- und Haftungsregelungen einsetzen. Indem wir durch solche marktwirtschaftlichen Anreize die Umweltschonung belohnen und die Inanspruchnahme von Umwelt mit Kosten belegen, verfolgen wir den Weg zu ökologisch ehrlichen Preisen und stärken die Eigeninitiative zu mehr Umweltschutz.

Wir Christliche Demokraten werben für ein neues Verständnis von Wohlstand und Wachstum. Wesentlicher Bestandteil des Wohlstandes ist eine gesunde und lebenswerte Umwelt. Wachstum bedeutet weitaus mehr als nur die Mehrung von Gütern und Dienstleistungen. Unser neues Verständnis von Wachstum schließt die schonende Nutzung der natürlichen Ressourcen durch den Einsatz modernster Produktionsmethoden und den Weg ökologisch ehrlicher Preise für die Inanspruchnahme von Umwelt ein.

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