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Bericht der Preußischen Bezirksregierung in Koblenz über jüdische Einwohner (1820)

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Auf der linken Rheinseite haben sie [ . . . ] durch die französische Gesetzgebung das volle Bürgerrecht erlangt; allein auch hier, so wie in allen übrigen Teilen von Deutschland, ist von dem Judenvolk als Gesamtheit noch kein Schritt zum Besseren geschehen.

Die Erteilung des Bürgerrechts hat sie nicht zu Bürgern umgeschaffen. Die Gewerbefreiheit zog sie nicht zum Betrieb edler Handwerke herüber. Die Erlaubnis zum Ankauf von Ländereien munterte sie nicht zum Ackerbau auf, indem sie die Akquisition der Domänen nur als einen Handelsgegenstand betrachteten [ . . . ] ; und so sind sie denn, sowohl unter dem Druck einschränkender Gesetze als auch im Besitze aller Freiheiten überall dieselben schmutzigen Schacherer geblieben, deren verderbliches Einwirken eine Erbitterung gegen sie erzeugte, die von Zeit zu Zeit in Verfolgungen überging, welche, wie die jüngere in Würzburg, Frankfurt und mehreren anderen Städten, ihrem Leben und Eigentum drohten.

Beruht nun [ . . . ] die Eigentümlichkeit der Juden [ . . . ] einzig auf der innigsten Verwebung ihrer bürgerlichen mit der religiösen Verfassung, so ist ihre Unveränderlichkeit . . . allen anderen Völkern gegenüber eben wohl in diesem Umstand zu suchen. Wie soll ein Volk für die bürgerliche Gesellschaft gewonnen werden, solange es seine eigene Sprache, seine eigene Zeitrechnung hat, einen besonderen Sabbat [ . . . ] und überdies viele [ . . . ] religiöse Feste feiert, an denen seine Wirksamkeit durch die Vorschriften der Religion eben wohl gelähmt ist. Wie kann es mit den Christen in annähernde Berührung kommen, wenn ihm sein Gesetz den Genuß von Speisen untersagt, die zu den gewöhnlichen Nahrungsmitteln in den Haushaltungen der Christenfamilien gehören [ . . . ] ; und, abgesehen von allem diesem, wie soll es mit den Christen im frohen Gemeinsinn [ . . . ] für das Gemeinwohl sich verbinden, da es seine Religion zum Gegenteil verpflichtet, eine Religion, die es in der Hoffnung und Sehnsucht nach einem fernen Lande erhält und es in allen anderen Nationen unreine – zum Dienen geborene –Goyim erblicken läßt, deren Tempel es zerstören, deren Götzen es zerbrechen und deren Namen es vertilgen soll?

Alle Versuche daher, die Juden mit den Christen zu einem bürgerlichen Verein zu verschmelzen, werden solange scheitern, als ihrer Sittenlehre und ihren religiösen Meinungen keine andere Richtung gegeben wird. Beide sind mit dem Wohl und der Tendenz christlicher Staaten durchaus unvereinbar; und so pflichten wir denn auch vollkommen denjenigen bei, welche die Juden bis dorthin, wo sie den völkergehässigen Grundsätzen des Ritualgesetzes und Rabbinismus wirklich entsagt und sich als treue, redliche Mitbürger bewiesen haben, nur die Menschen-, nicht aber die Sozietätsrechte zugestanden, und sie folglich als Fremde, nur als ein geduldetes Volk angesehen wissen wollen. [ . . . ]



Quelle: Bericht der Regierung Koblenz an den Oberpräsidenten des Großherzogtums Niederrhein, Staatsminister Karl H. Ludwig Freiherrn von Ingersleben, über die bürgerlichen Verhältnisse der Juden. – 25 Januar 1820, Koblenz. LHA Koblenz Best. 403. Nr. 15227, S. 145-218. – Auszug.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Landeshauptarchiv Koblenz (www.landeshauptarchiv.de).

Auch wiedergegeben in Anton Doll, Hans-Josef Schmidt und Manfred Wilmanns (Bearb.), Der Weg zur Gleichberechtigung der Juden, Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Rheinland-Pfalz und im Saarland von 1800 bis 1945, Bd. 2, Koblenz 1979, Veröffentlichung der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz 13, S. 82-86.

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