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Auszüge aus dem klinischen Bericht und der Autopsie durchgeführt von Professor Traube an einem lungenkranken Patienten (1860)

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IV. Eine andere Frage ist: Welcher Theil des hier geschilderten Symptomencomplexes war durch die Anwesenheit der Kohlentheilchen im Lungenparenchym bedingt? Pat. behauptete, bei seiner Aufnahme im October, bereits 20 Jahre an Husten und Auswurf zu leiden. Da seine Beschäftigung im Kohlenstaube erst 1848 begann, so können diese Erscheinungen nur auf einen einfachen Katarrh bezogen werden, der bereits vor dieser Zeit vorhanden war. Schon zweifelhafter ist die Deutung des Luftmangels, da dieser sich erst später zu dem Husten und Auswurf hinzugesellte. Möglich, dass der Pat. genauere Angaben über den Zeitpunkt des Eintritts dieser Erscheinung zu machen vermocht hätte; ich habe es leider unterlassen, ihn danach zu fragen. Die Krankheit, von der er 3½ Monate vor seiner Aufnahme befallen wurde, war, wie sich bei der Section herausstellte, eine Pericarditis, die später durch eine doppelseitige Pleuritis complicirt wurde. Auf diese Affection bezog sich zweifellos die Orthopnoë, die Unregelmässigkeit der Herzaction, die Veränderung, die der Harn darbot, die Cyanose und der Hydrops. Denn es sind diess Erscheinungen, die schon in einfachen Fällen von schleichender Herzbeutelentzündung häufig beobachtet werden. An Symptomen, die auf die Anhäufung der Kohlentheilchen im Lungenparenchym bezogen werden könnten, bleibt uns also nichts als der eigenthümliche Husten, den ich mir dadurch erkläre, dass durch die vermehrte Secretion von Flüssigkeit in den Lungenalveolen fortdauernd Kohlentheilchen in die Bronchien geriethen, welche hier wegen ihrer eckigen und spitzigen Gestalt reizend auf die Schleimhaut wirkten. Diese Erklärung setzt freilich voraus, dass die Reflexbewegungen des Hustens nicht vom Lungenparenchym her ausgelöst werden können, aber diess stimmt in der That mit anderen klinischen Thatsachen überein. Das Aufhören des Hustens in der letzten Zeit scheint mir dadurch zu erklären, dass unter dem Einfluss der vermehrten Darmsecretion die abnorme Secretion in den Lungenalveolen sistirt wurde. In der That wurde eben um diese Zeit der Auswurf sehr sparsam.

V. Eine fernere Frage von klinischer Wichtigkeit ist die, ob der Aufenthalt in einer staubigen Atmosphäre schon für sich hinreiche, um die Anhäufung seiner Körperchen in den Lungenalveolen herbeizuführen. Erwägt man, wie viele Menschen dauernd in einer solchen Atmosphäre sich aufhalten, ohne irgend welche Erscheinungen eines Leidens ihres Athmungsapparates darzubieten, so drängt sich fast von selbst die Vermuthung auf, dass zu dieser Bedingung noch eine zweite hinzutreten müsse. Der oben hervorgehobene Umstand, dass unser Pat., als seine Beschäftigung auf dem Kohlenhofe begann, bereits längere Zeit an Bronchialkatarrh litt, scheint mir darauf hinzudeuten, dass möglicherweise eine Störung des Mechanismus der Flimmerbewegung diese zweite Bedingung sei, indem entweder die Bewegung der Flimmerhaare durch den Schleimüberzug gehemmt, oder ihre Leistung wegen mangelhafter Ernährung der sie tragenden Zellen vermindert wird.

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