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Grete Lihotzky, „Rationalisierung im Haushalt” (1926-27)

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Auf dieser Ausstellung hat eine eigene Abteilung des Frankfurter Hausfrauenvereins die Wichtigkeit der Rationalisierung des Haushalts besonders vor Augen geführt. Dieser Teil der Ausstellung mit dem Titel: „Der neuzeitliche Haushalt“ behandelte in erster Linie das Problem der arbeitssparenden Küche. Als besonders lehrreiches Beispiel für Schritt- und Griffersparnis wurde zuerst eine vollständig eingerichtete Speisewagenküche und -Anrichte ausgestellt. Drei weitere eingerichtete Küchen mit eingebauten Möbeln, von denen die ersten zwei in Frankfurt rund 3000 mal ausgeführt werden, zeigten, wie durch richtige Einteilung und Anordnung der Möbel die Arbeit erleichtert werden kann. Hierbei wurden die drei verschiedenen Arten des Küchenbetriebes berücksichtigt:

1. Der Haushalt ohne Hausgehilfin (bis zu einem Jahreseinkommen von etwa 5000 Mk.)

2. Der Haushalt mit einer Hausgehilfin (mit einem Jahreseinkommen von etwa 10 000 Mk.)

3. Der Haushalt mit zwei Hausgehilfinnen (mit einem Jahreseinkommen von über 10 000 Mk.)

Außer diesen Kücheneinrichtungen aus Holz wurde noch eine kleine Kochnische für Ledigenwohnungen aus Metall und eine Küche aus abwaschbaren Formsteinen gezeigt, diese beiden Küchen stellen Versuche dar, um neue brauchbare Materialien, die äußeren Einflüssen weniger zugänglich sind als Holz, zu finden. Alle Küchen sind zwecks Arbeitsersparnis klein und vom Wohnraum vollkommen abtrennbar. Die alte Form der Wohnküche erscheint überholt. Auch vorbildliche freistehende, im Handel erhältliche Küchenmöbel, die zur Erleichterung der Hausarbeit wesentlich beitragen, wurden vorgeführt. Gute und schlechte Haus- und Küchengeräte, arbeitvergeudende und arbeitsparende, leicht und schwer zu reinigende werden durch Schilder mit verschiedenen Farben kenntlich gemacht. Abtropfgestelle für Schüsseln, Teller und Tassen, die das Abtrocknen des Porzellangeschirres sparen, Mehltrichter, aus denen man eine bestimmt abmeßbare Menge in die Schüssel rinnen lassen kann, zeigten der Hausfrau im Ausland schon längst bewährte Einrichtungen.

Besondere Aufmerksamkeit wurde der Ausstellung der elektrischen Apparate und Geräte gewidmet. Obwohl heute für den Minderbemittelten praktisch noch nicht verwendbar, wissen wir doch, daß in absehbarer Zeit der elektrischen Küche die Zukunft gehört. Beispiele elektrischer Zentralwaschanlagen, wie sie in jedem größeren Wohnhausblock eingebaut werden müßten, sollen die Frauen auf die dadurch ermöglichte Arbeitserleichterung verweisen und sie dazu anregen, Anlagen solcher Waschküchen, die auch schon für Familien mit geringem Einkommen rentabel sind, in genügender Anzahl zu fordern. In einer in Frankfurt a. M. eingerichteten Zentralwaschküche wurden auf Verlangen der Mieter außer elektrisch betriebenen Waschmaschinen noch solche für Handbetrieb aufgestellt. Heute nach einem Jahr stehen die Handwaschmaschinen still, da alle Frauen nur noch auf der anderen waschen wollen. „Das kleinste Bad auf kleinstem Raum“ in der Größe von 1,65 × 1,35 m beweist, daß die Forderung „jeder Wohnung ein Bad“ nicht mehr ein undurchführbares Ideal darstellt. Auf die Möglichkeit, durch eine zwischen zwei Schlafräumen eingeschobene „Wasch- und Duschnische“ Raum zu sparen, konnte durch ein Modell 1:10 einer Stockwerkswohnung mit einer solchen Anlage, sowie durch einen 1,6 qm großen eingerichteten Duschraum hingewiesen werden. Durch das ständig fließende Wasser kann die Reinigung hier eine gründlichere sein als in der Wanne.

Weitgehende Verwendung von Gas im Haushalt wurde durch ein Modell eines vollständig durch Gas versorgten Einfamilienhauses vor Augen geführt. Auf das wichtige Kapitel guter Beleuchtung im Hause wurde auf der Ausstellung mit besonderer Sorgfalt eingegangen. Wieviel Geld kann allein durch richtige Wahl von Tapeten, die die Leuchtkraft erhöhen, gespart werden! Wie wichtig ist es für die Gesundheit der Familie, daß die Frauen, die ja die Mehrzahl der Käufer darstellen, auf richtige und lichttechnisch einwandfreie Arbeitslampen verwiesen werden, und nicht gedankenlos immer noch die kleinen, verzierten Stehlampen mit dem dunklen staubsammelnden Seidenschirmchen kaufen.

Es sind häufig die lächerlichsten Ursachen, weshalb wir uns mit schlechtgeformten Dingen umgeben sollen. So stellt z. B. eine große Lampenfabrik, deren Lager nur in geschmacklosen und unpraktischen Lampen besteht, minderwertige Modelle her, die für ihren großen Export nach Indien verlangt werden, während der geringe Absaß im Inland Anfertigung neuer guter Modelle nicht rentabel macht.

Sollen wir unser Geld dafür ausgeben und unsere Augen dafür verschlechtern, daß in den indischen Kolonien hiesige Lampen bezogen werden?

Hier wie in allem ist es Sache der Allgemeinheit, besonders der Frauen, nicht alles, was auf den Markt kommt, gedankenlos hinzunehmen, auch nicht das, was ihnen augenblicklich schön erscheint zu wählen, sondern auf Zweckmäßigkeit und technisch einwandfreie Qualität zu prüfen.

Hierfür sollte diese Ausstellung den Blick schärfen.



Quelle: Grete Lihotzky, „Rationalisierung im Haushalt”, Das neue Frankfurt, Nr. 5 (1926-27), S. 120-23.

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