GHDI logo

Hanns Kropff, „Frauen als Käuferinnen” (1926)

Seite 2 von 2    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Die Frau im Beruf, unbeschwert von groben Haushaltssorgen, ausgerüstet mit mehr Geld über das sie frei verfügen kann, will in ihrer freien Zeit nur „Frau“ sein. Sie sieht weniger auf den Preis, wenn Sie sie davon überzeugen, daß diese Waren ihr Leben leichter, angenehmer und schöner machen. Wie die Hausfrau, fragt sie beim Betrachten der Modeinserate zuerst: steht es mir gut? und wie diese interessiert sie nur das abgebildete Kleid und nicht das Dutzend, das im Text aufgeführt ist. Sie strebt nach neuem Wissen, um vorwärtszukommen, aber die Belehrung durch Unterhaltung ist ihr am angenehmsten. Die Politikerin und Parlamentarierin wird gefangen durch eine schöne und geschickte Rede, auch wenn die Rechnung falsch ist, selbst wenn die statistischen Zahlen nicht stimmen und wenn jeder Mann nach dem dritten Wort den Kopf schüttelt. Kurz sie ist im Innersten durch den Beruf nicht verändert. Sie ist Frau geblieben.

Sie sehen, daß es für Männer nicht leicht ist, Texte für Frauen zu schreiben. Noch schwerer ist es, solche Texte zu illustrieren. Legen Sie Ihre Entwürfe, Bilder und Texte Frauen zur Prüfung vor. Nicht Ihrer Frau oder Ihrer Tochter oder einer Dame, die weiß worum es sich handelt, sondern einer ganz Außenstehenden. Das Urteil der Frauen ist schnell beeinflußt, wenn sie wissen, warum sie es abgeben sollen.

Für die Illustration gilt alles Vorhergesagte in noch viel höherem Maße. Wenn ein gutes Bild tausend Worte wert ist, so können zehntausend gute Worte keine Frau dazu bringen, ein häßliches oder falsches Bild zu betrachten. Mit dem Bilde steht und fällt die Wirkung des Inserates bei Frauen. Sie sehen zuerst das Bild, gefällt es ihnen, lesen sie den Text. Eine Unkorrektheit in der Mode, ein Fehler in der Einrichtung der Küche, ein falscher Handgriff in der Kinderpflege, alles was den Frauen lächerlich, unmöglich oder schrecklich ist, veranlaßt sie, sofort das Inserat mit Spott und Ärger zu überschlagen.

Zweifellos sehen die meisten Frauen ein hübsches, appetitliches Mädchen lieber als ein häßliches. Aber das ewig lächelnde „sweet girl“, das die schmutzigsten Hausarbeiten in Gesellschaftstoilette mit eleganten Abendschuhen ausführt, ist für die Frauen noch lächerlicher als für die Männer.

Reine Textinserate, sie mögen noch so klar und künstlerisch schön sein, interessieren Frauen nicht. Sie sind zu kalt und konstruktiv für sie. Selbst Einfassungen und Borden ändern nichts daran. Dagegen lesen viele Frauen aus Neugierde und Sensationslust aufmerksam die kleinen Anzeigen, die Ankündigungen der Hochzeiten und Verlobungen. Ein geschicktes Inserat in ihrer Nähe hat meistens Erfolg.

Fassen wir zusammen: Inserate für Frauen müssen so persönlich sein wie möglich. Sie müssen Rücksicht nehmen auf die typisch weibliche Eigenschaft: restlos zuzustimmen oder absolut zu verwerfen. Frauen sehen die Dinge mit ihren Augen — nichts kann sie dazu bewegen ein Inserat zu lesen, das ihnen auf den ersten Blick aus irgendeinem Grunde nicht gefällt.

Die jungen Frauen der Nachkriegszeit unterscheiden sich in manchem sehr stark von ihren Schwestern von Anno 1914. Ihr Körper, befreit vom Korsett, vernünftig gekleidet, trainiert durch Sport, ist natürlicher und schöner geworden. Ihr Geist, gestählt durch Not und Sorgen des Krieges, geschärft durch Berufsgeschäfte, ist freier und klarer. Ihr Betragen, obgleich burschikoser, ist selbstverständlicher und ungezwungener als in den Zeiten, in denen man glaubte das erotische Problem zu lösen, indem man es totschwieg. Die Kameradschaft junger Männer und Frauen, oft gelästert und mißbraucht, ist in vielen Teilen Europas Tatsache geworden.

Ein neues Geschlecht von Frauen reift in Europa heran, bewußt sein Recht fordernd, das ihm die Sklaverei der Konvention früherer Zeiten verwehrt hat.



Quelle: Hanns Kropff, „Frauen als Käuferinnen“, Die Reklame. Zeitschrift des Verbandes Deutscher Reklamefachleute, 1. u. 2. Juliheft 1926, 19. Jahrgang. S. 649-50.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite