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Dr. Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld, „Fordismus. Über Industrie und Technische Vernunft” (1926)

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Kein bloßer Abstand, ein tiefer und rein geistiger Gegensatz scheidet Ford von Taylor! Was Taylor durch sein ausgeklügeltes „management“ erreicht, das gelingt auch Ford, aber durch einen ganz anderen, hinreißenden Schwung seiner Betriebsführung. Rechnet man nach den vielen und interessanten Beispielen, die Ford aus der Tatsachenwelt seiner Betriebe herausgreift, dann scheint die Leistungswucht des Fordarbeiters kaum der des Taylorarbeiters nachzugeben. Nur besagt dies für Taylor den ganzen Erfolg, und wieviel beißt nicht seine Regie davon ab! Während es für Ford nur einen Teilerfolg bedeutet, wenn seine Arbeiter dem Betrieb nichts schuldig bleiben an ehrlicher Leistung; jenem Betrieb, der aber noch ganz unabhängig davon in so grandioser Weise durch ihn gestaltet wird! Ford spielt ja nicht einfach nur den Uhrmacher, der bloß den Gang des Betriebes „repassiert“, sondern den gewaltigen Schmied des Betriebes, der diesen in der Rotglut stürmischer Wandlungen zurechthämmert und streckt.

Ich glaube kaum, daß irgend jemand härter als ich die Versuchung zu bekämpfen hätte, gerade in diesem Zusammenhang den Spuren Henry Fords zu folgen, wie er dem Walten der Technischen Vernunft in ganz unvergleichlicher Weise die Bahn weist. Mit einem einzigen Beispiel bescheide ich mich, einzig aber auch in seiner Art. Übrigens beschert dieses Beispiel der recht zahlreichen Familie meiner „Grundsätze der Technischen Vernunft“ einen frischen Zuwachs: es fällt nämlich unter den Grundsatz der „einheitlichen Verkettung aller Prozesse durch wandernde Wege“ — ein hochbegabter Sprößling meines Prinzips des „richtig verketteten Vollzugs“!

Jedes Fordauto setzt sich aus über 5000 Teilen zusammen, alle „auswechselbar“, so daß jeder Teil in jedes Auto an seiner Stelle passen würde. Obwohl darunter natürlich viele gleiche enthalten sind, und trotzdem bei ihrer Verarbeitung zahllose Maschinen summarisch verfahren, vieles nämlich leisten und doch wenig Griffe als Bedienung, wenig an Arbeit erfordern, ergeben sich dennoch jene rund 8000 verschiedenen Verrichtungen.

Jedem Arbeiter obliegt nur eine, aber die gleiche Verrichtung auch oft mehreren und vielen Arbeitern, denn im ganzen sind ja nicht 8000, sondern 50 000 Arbeiter in ununterbrochener Tätigkeit, weit überwiegend an Maschinen. Ford berechnet, daß es 2 000 000 geschulter Arbeitskräfte bedürfte, Facharbeiter aller Art, wenn man den Ertrieb seiner Werke durch Werkzeugarbeit herstellen wollte; wobei er offenkundig wieder an eine glänzende Organisation und an höchsten Arbeitseifer denkt, so daß sich bei Produktion im Handwerkerstil diese Millionen noch vervielfachen müßten. Jedenfalls gilt es nicht eigentlich die Arbeiter, sondern die Maschinen richtig im Raume zu verteilen, deren Bedienung ihnen obliegt. Noch genauer gesagt, die verschiedenen Prozesse selber, gleichsam die Akte des Produktionsverlaufs, die sind richtig im Raume anzuordnen. Dafür gibt es nun einen Kanon: die ideelle Wirkungsfolge in der Produktion; und dieses Ideelle, die Vorstellung eines einheitlich geschlossenen Produktionsverlaufs — denn tatsächlich vollziehen sich ja die Prozesse räumlich getrennt — dieses Ideelle ergibt gleichzeitig das Ideal der Anordnung der Prozesse, also der Maschinen und Arbeiter. Ein so vielteilig Gebilde, wie das Auto, ersteht eben nicht in einem Gänsemarsch der Prozesse, sondern ein verwickelter Zusammenmarsch vollzieht sich. Zuerst getrennt marschieren, das heißt, die Teile einzeln und von Station zu Station ihrer eigenen Vollendung zuführen; und dann mehrmals nacheinander vereint schlagen, das heißt „montieren“, indem etwa Kranz, Nabe und Speichen nun ein Rad zusammensetzen; ebenso muß dann auch das Chassis zusammengesetzt werden und der Motor, endlich das Auto als Ganzes. Auch diese Montagen muß man sich je als ein Nacheinander von Hantierungen denken, so daß auch hier ein Durchmarsch erfolgt; vom Grundteil, beispielsweise vom Radkranz, dem nun nacheinander die Speichen eingefügt und diese mit der Nabe nacheinander verbunden werden, bis zur Vollendung.

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Quelle: Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld, Fordismus. Über Industrie und technische Vernunft. Jena: Verlag von Gustav Fischer, 1926, S. 6, 13, 16–18.

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