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Rudolf Kayser, „Amerikanismus” (1925)

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Aber die Literatur ist dem Amerikanismus ja erst sehr wenig gefolgt. Noch ist ihr seine Lebendigkeit zu übermächtig und zu unkultiviert, so daß man ihn geradezu als antiliterarisch empfindet. Seine geistigen Möglichkeiten sind noch allzu problematisch. Vielleicht bedeutet er in der europäischen Kulturgeschichte ein Ende oder eine Pause; vielleicht aber stehen wir bereits morgen schon vor einer überraschenden neuen Blüte. Es ist sehr unfruchtbar, hier Rätsel aufzugeben und zu lösen. Es wäre aber andererseits verkehrt, die Zeit nur in den äußeren Erscheinungen von Wirtschaft und Verkehr erkennen zu wollen und so die neuen geistigen Einstellungen zu übersehen. Die Gegenwart hält sich an die Realität als der stärksten schöpferischen Substanz, als Energie, als Herrschaft der Welt.

Sollen wir nun über den Amerikanismus klagen oder jubeln? Beides nicht. Wir spüren seine Lebendigkeit und dürfen seine Erscheinungen nicht mit falschen Maßstäben messen. Auch die Jazzband ist Kraft und Klang, zauberisch in dem wilden Glanz ihres Rhythmus, freudige Bejahung einer naiven Lebendigkeit. Aber warum beim Stampfen ihrer Instrumente von klassischer Musik sprechen?

Quelle: Rudolf Kayser, „Amerikanismus“, Vossische Zeitung, Nr. 458 (27. September1925).

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