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Arnold Brecht über den Kapp-Putsch 1920 (Rückblick 1966)

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Otto Meißner, der damals gerade begonnen hatte, bei Ebert im Reichspräsidium Dienst zu tun [ . . . ] war zunächst in Berlin geblieben, kam aber dann mit dem Dienstwagen nach Stuttgart. Um glatt durchzukommen, hatte er sich vorsorglich Ausweise und Empfehlungsschreiben von beiden Seiten geben lassen und zeigte nun, je nachdem, ob ihn regierungstreue Vigilanten oder Kappisten anhielten, den einen oder den anderen Ausweis vor. Dabei passierte ihm einmal das Mißgeschick, daß er sich irrte und Kommunisten den Kapp-Ausweis vorwies. Sie wollten ihn festsetzen, und es bedurfte langer Verhandlungen, um sie zu bewegen, daß sie ihm die Weiterfahrt gestatteten.

Der schnelle Zusammenbruch der Kapp-Regierung war zu gleichen Teilen der inneren Hohlheit des ganzen Unternehmens, der radikalen Abwehr durch die Arbeiterschaft und dem verfassungstreuen Verhalten der meisten Beamten unter Führung der Staatssekretäre der Reichs- und preußischen Ministerien zuzuschreiben. Die Beamten standen ja damals nicht, wie zwölf Jahre später bei dem Vorstoß des Reichskanzlers von Papen gegen die preußische Regierung, vor dem Dilemma, daß der verfassungsmäßige Reichspräsident selbst die neuen Machthaber ernannt hatte und sie mit seinem Ansehen als Reichspräsident und der Berufung auf seine Verfassungsrechte deckte. Vielmehr richtete sich der Kapp-Putsch gegen den verfassungsmäßigen Reichspräsidenten. In beiden Fällen war die Haltung der Beamten durch die Stellung zum Reichspräsidenten stark beeinflußt. In beiden hatte die persönliche Verunglimpfung der demokratischen Minister bei den höheren Ministerialbeamten wenig Widerhall gefunden, abgesehen von den Angriffen auf Erzberger vor dem Kapp-Putsch. Ebert, Noske und die meisten anderen Minister erfreuten sich bei ihnen vielmehr eines beträchtlichen persönlichen Ansehens, ebenso wie später Otto Braun, Severing, Schreiber, Höpker-Aschoff, Carl Becker und andere preußische Minister.



Quelle: Arnold Brecht, Aus Nächster Nähe, Lebenserinnerungen 1884-1927. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1966, S. 302-07.

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