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Nicht alles anders, aber besser machen (10. November 1998)

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Nach den jetzt ermittelten Zahlen müßte die jährliche Neuverschuldung mittelfristig um bis zu 20 Milliarden Mark höher ausgewiesen werden, als das im Finanzplan geschehen ist. Das kann und will ich nicht akzeptieren. Deshalb sage ich gleich zu Anfang: Diese finanzielle Erblast zwingt uns zu einem entschlossenen Konsolidierungskurs.

Wir werden um strukturelle Eingriffe nicht herumkommen. Alle Ausgaben des Bundes müssen auf den Prüfstand. Der Staat muß zielgenauer und wirtschaftlicher handeln. Der Mißbrauch staatlicher Leistungen muß eingedämmt werden. Subventionen und soziale Leistungen werden wir stärker als bisher auf die wirklich Bedürftigen konzentrieren.

Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns nicht, daß wir alles in kurzer Zeit schaffen. Aber sie haben einen Anspruch darauf, daß wir nicht nur reden, sondern auch handeln. Daß endlich wieder Politik für die Menschen gemacht wird.


1.

Wir haben gesagt, wir wollen nicht alles anders machen, aber vieles besser. Daran werden wir uns halten. Das sagen wir denen, die heute die Schlachten des Wahlkampfs noch einmal schlagen wollen. Die schon wieder Schwarzmalerei betreiben und diesen lähmenden Pessimismus verbreiten, der unser Land lange genug gehindert hat, die nötigen Schritte zur Anpassung an die Wirklichkeit zu tun.

Aber das rufen wir auch denjenigen zu, die meinen, das jetzt Beschlossene ginge nicht weit genug. Wir wollen die Gesellschaft zusammenführen, die tiefe soziale, geographische und gedanklich-kulturelle Spaltung überwinden, in die unser Land geraten ist.

Wir werden Deutschland entschlossen modernisieren und die innere Einheit beherzt vorantreiben. Voraussetzung dafür ist eine schonungslose Beurteilung der Lage. Aber auch und vor allem: das Besinnen auf unsere Stärken. Und das Zutrauen, daß wir es schaffen können.

Dieser Regierungswechsel ist auch ein Generationswechsel im Leben unserer Nation. Mehr und mehr wird unser Land heute gestaltet von einer Generation, die den Zweiten Weltkrieg nicht mehr unmittelbar miterlebt hat. Es wäre gefährlich, dies als einen Ausstieg aus unserer historischen Verantwortung mißzuverstehen. Jede Generation hinterläßt der ihr nachkommenden Hypotheken – niemand kann sich mit der „Gnade“ einer „späten Geburt“ herausreden.

Für manche ist dieser Generationswechsel eine große Herausforderung. Schon ein Blick auf die Regierungsbank oder in dieses Parlament zeigt, was die große Mehrheit unter uns politisch geprägt hat. Es sind Biographien gelebter Demokratie.

Wir haben den kulturellen Aufbruch aus der Zeit der Restauration miterlebt und mitgemacht. Viele von uns waren in den Bürgerbewegungen der siebziger und achtziger Jahre engagiert. Die ehemaligen Bürgerrechtsgruppen aus der DDR, die gemeinsam mit den ostdeutschen Sozialdemokraten die friedliche Revolution gestaltet haben, sind an dieser Regierung beteiligt. Diese Generation steht in der Tradition von Bürgersinn und Zivilcourage. Sie ist aufgewachsen im Aufbegehren gegen autoritäre Strukturen, im Ausprobieren neuer gesellschaftlicher und politischer Modelle.

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