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Der Reformator als Sohn – Luther und seine Mutter (20. Mai 1531)

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Das ist der Siegmann, der rechte Held, der mir hiemit seinen Sieg gibt und zueigent: Seid getrost! Bei dem bleib ich, des Worts und Trosts halte ich mich, darauf bleibe ich hie, oder fahre dorthin, er leuget mir nicht. Dein falsches Schrecken wollt mich gerne betriegen und mit Lügengedanken von solchem Siegmann und Heiland reißen, und ist doch erlogen, so wahr es ist, daß er dich uberwunden, und uns getrost zu sein geboten hat.

Also rühmet St. Paulus auch, und trotzet wider des Todes Schrecken: Der Tod ist verschlungen im Sieg: Tod, wo ist dein Sieg? Hölle, wo ist dein Stachel? Schrecken und reizen kannst du, wie ein hülzern Todesbilde, aber Gewalt hast du nicht zu würgen. Denn dein Sieg, Stachel und Kraft ist im Sieg Christi verschlungen; die Zähne magst du blecken, aber fressen kannst du nicht. Denn Gott hat uns den Sieg wider dich gegeben, durch Jesum Christum, unsern Herrn, dem sei Lob und Dank gesagt, Amen.

Mit solchen Worten und Gedanken, liebe Mutter, lasset sich Euer Herz bekümmern, und sonst mit nichte, und seid ja dankbar, daß Euch Gott zu solchem Erkenntnis bracht hat und nicht lassen stecken in dem päpstischen Irrtum, da man uns gelehrt hat, auf unser Werk und der Mönchen Heiligkeit bauen und diesen einigen Trost, unsern Heiland, nicht für einen Tröster, sondern für einen grausamen Richter und Tyrannen halten, daß wir von ihm zu Maria und den Heiligen haben müssen fliehen und uns keiner Gnaden noch Trost zu ihm haben versehen können.

Aber nu wissen wir’s anders von der grundlosen Güte und Barmherzigkeit unsers himmlischen Vaters, daß Jesus Christus unser Mittler und Gnadenstuhl ist und unser Bischof im Himmel fur Gott, der uns täglich vertritt und versühnet, alle, die nur an ihn gläuben und ihn anrufen, und nicht ein Richter ist noch grausam, ohn allein uber die, so ihm nicht gläuben noch seinen Trost und Gnad annehmen wollen. Es ist nicht der Mann, der uns verklagt noch dräuet, sondern der uns versühnet und vertritt durch seinen eigenen Tod und Blut, für uns vergossen, daß wir uns nicht fur ihm fürchten, sondern mit aller Sicherheit zu ihm treten und ihn nennen sollen: Lieber Heiland, du süßer Tröster, du treuer Bischof unser Seelen etc.

Zu solchem Erkenntnis (sage ich) hat Euch Gott gnädiglich berufen, des habt Ihr sein Siegel und Briefe, nämlich das Evangelium, die Taufe und das Sacrament, so Ihr höret predigen, also, daß kein Fahr noch Not mit Euch haben soll. Seid nur getrost und danket mit Freuden solcher großer Gnaden! Denn der es in Euch angefangen hat, wird es auch gnädiglich vollenden. Denn wir können uns selbs in solchen Sachen nicht helfen, wir mügen der Sünden, Tod und Teufel nichts abgewinnen mit unsern Werken, darumb ist da an unser Statt und für uns ein ander, der es baß kann und uns seinen Sieg gibt und befiehlet, daß wir’s annehmen, und nicht dran zweifeln sollen, und spricht: Seid getrost, ich hab die Welt uberwunden; und abermal: Ich lebe, und ihr sollet auch leben, und euer Freude soll niemand von euch nehmen.

Der Vater und Gott alles Trostes verleihe Euch durch sein heiliges Wort und Geist einen festen, fröhlichen und dankbaren Glauben, damit Ihr diese und alle Not müget seliglich uberwinden, und endlich schmecken und erfahren, daß es die Wahrheit sei, da er selbs spricht: Seid getrost, ich hab die Welt uberwunden. Und befehle hiemit Euer Leib und Seele in seine Barmherzigkeit, Amen.

Es bitten für Euch alle Eure Kinder und meine Käte. Etliche weinen, etliche essen und sagen: Die Großmutter ist sehr krank. Gottes Gnade sei mit uns allen, Amen.

Am Sonnabend nach Ascensionis Domini, MDXXXI.

Euer lieber Sohn
Mart. Luther.



Quelle: „Luther an seine Mutter Margarethe verw. Luther. [Wittenberg,] 20. Mai 1531“.
ln D. Martin Luthers Werke. Weimarer Ausgabe (Sonderedition). Abteilung 3: Briefwechsel. Band 6, S. 103-06.
© 2002 Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar GmbH & Co in Stuttgart/Weimar.

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