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Vom Ziegenhirt in den Alpen zum Griechischlehrer – Thomas Platter (1499-1582)

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Do ich schier gan Merspurg kam, kam ich zů eim steinmetzen, der was ein Turgöwer. Kam uns ein iunger pur entgägend; spricht der steinmetz zů mier: „Der pur můß uns gelt gen.“ Spricht zů im: „Pur, gib gelt, oder – semmer botz schrunden!“ etc. Der pur erschrak, mier was ouch angst, hett gwelt, ich weri nienert do gsin. Der pur fieng an, den sekell fürher zien. Sprach der steinmetz: „Byß zů friden; ich han nůr mit dier gespottet.“ Kam also uber see gan Costantz. Do ich über brug ußhe gieng und ettliche Schwitzer pürlin in wissen iüpplinen gsach, ach min gott, wie was ich so fro; ich meint, ich weri im himelrich. Kam gan Zürich. Do waren Wallesser, groß bacchanten; denen erbod ich mich zů praesentieren, sy solten mich aber leren; das tadten <sy> aber wie ouch die andren. Do zmall was ouch der cardinall Zürich; der bület umb Züricher, sy sölten mit im zum bapst zien; im was aber mer umb das Meiland zů thůn, wie sich das hernach erzeigt hatt. Nach ettlich moneten schickt Paulus von Minchen sin schützen, den Hilpranden, ich solt wider kummen, er wolt mier verzichen; aber ich wolt nit, sunder bleib Zürich, studiert aber nüdt.

Do was einer von Walles, von Visp, hieß Anthonius Venetz, der wiglet mich uff, wier welten mit einandren gan Straßburg zien. Do wier gan Straßburg kamen, waren gar vill armer schůler do, und wie man sagt, nit ein gůtte schůll; aber zů Schletstatt, do weri gar ein gůtte schůll. Zugen uff Schletstatt zů. Do bekam uns ein edelman, fraget: „Wo uß?“ Do er hort, das wier gan Schletstat wolten, mißriet ers uns: es werin do gar vill armer schůler und nit rich lüt etc. Do fieng min gsell an bitterlich weinen: „Wo nun uß?“ Ich trost in und sprach: „Byß woll zmůt; ist einer zů Schletstatt, der sich alein mag erneren, so will ich uns bed erneren.“ Als wier by einer mill von Schletstatt waren zů herberg in eim dorff, ward mier we, das ich wond, ich miesti erstiken, hatt schier kein atten; hatt sovill grienner nussen gessen, dan sy fiellen umb die zyt ab. Do weinet min gsell aber, vermeint, er wurde sin gsellen verlieren; so wüste er nit, wo uß, und hatt er denecht 10 cronen by im heimlich, ich aber nit ein haller.

Do wier nun in die statt kamen und herberg hatten by eim alten par evolk (und was der man stokblind), do giengen wier zů minem lieben herren praeceptore sälig, herr Johannes Sapidus, batten in, er solt uns annämen. Fragt uns, wannen wier werin. Als wier sagtend: „Uß dem Schwitzerland, von Walles“, sprach er: „Do sind liden böß puren, iöikend all ire bischoff uß dem land. So ier weidlich wend studierren, dörffend ier mier nütz zgen; wo nit, so miessend ier mich zalen, oder ich will üch den rok ab dem lyb zien.“ Das was die erst schůll, do mich důcht, das recht zů gieng. Zů der zyt giengen die studia und linguae uff; ist in dem jar gsin, do der richstag zů Wurms ist gsin. Sapidus hatt eins mals 900 discipulos, ettlich fin glerte gsellen; do was do zůmall doctor Hier. Gemusaeus, doctor Johannes Hůberus und sunst vill ander, die sidhar doctores und verriempte menner worden sind.

Als ich nun in die schůll kam, kond ich nüd, noch nit den Donat läsen (waß doch 18 ior schon alt), satzt mich under die kleinnen kind, was äben wie ein gluggerin under den hünlinen. Uff ein tag laß Sapidus sine discipulos, sprach: „Ich hann vill barbara nomina; ich můß <sy> einmall ein wenig latinisch machen.“ Hernach laß ers aber. Do hatt er mich uff geschriben erstlich Thomas Platter, min gsellen Antonius Venetz; die hat er vertiert Thomas Platerus, Antonius Venetus und sprach: „Wär sind die zwen?“ Do wier uffstůnden, sprach er: „Pfüdich! sind das so zwen rüdig schützen und hand so hüpsch namen!“ Und das was ouch zum teill war, in sunders min gsell, der was so rüdig, das ich im manchen morgend mießt das linlachen ab dem lyb, wie ein hud von einer geiß, abzüchen, dan ich hatt fremdtz lufftz und spyß bas gewont dan er.

Do wier ietz vom herbst byß uff pfingsten do waren und noch immer mer schůler allenthalben zů rysten, kond ich uns nit woll mer erneren; zugen hinweg gan Soloturen. Do was ein zimliche gůtte schůll, ouch bessre narung; aber man můßt so gar vill in der kilchen stäken und zyt versumen, das wier heimzugen. Und bleib ich ein will do heimand, gieng zů eim herren zschůll; der lart mich ein wenig schriben und anders, ich weiß schier nit was. Uberkam das kalt we; was an Grenchen by miner bäsin Fransi. In der selben zyt lart ich miner andren bäsin bieblin (das hieß Simon Steiner) das a b c in einem tag, welcher darnach über ein jar zů mier gan Zürich kam, studiert nach und nach, das er gan Straßburg kam; ward D. Buceri famulus, studiert, das er praeceptor ward 3ae classis und demnach 2ae classis, byß er zwei wiber gehapt und gestorben ist, mit grosser klag der schůl zů Straßburg.

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