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Die Sozialisten: Ferdinand Lassalle: Auszug aus „Offenes Antwortschreiben” (1863)

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Drittens stand ebenso durch nichts fest, ob die preußische Fortschrittspartei, wenn sie selbst den Sieg über die preußische Regierung errungen, diesen Sieg im Interesse des gesamten Volkes oder nur zur Aufrechterhaltung der privilegierten Stellung der Bourgeoisie ausnützen würde; d. h. ob sie diesen Sieg zur Herstellung des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts, welches durch die demokratischen Grundsätze und die legitimen Interessen des Arbeiterstandes geboten ist, verwenden würde oder nicht.

Im letzteren Fall konnte sie offenbar nicht auf das geringste Interesse von seiten des deutschen Arbeiterstandes Anspruch machen.

Dies wäre es gewesen, was ich Ihnen damals in bezug auf jenes Ansinnen zu sagen gehabt hätte.

Heute kann ich noch hinzufügen, daß sich seitdem auch tatsächlich gezeigt hat, was damals freilich schon unschwer vorauszusehen war — daß es der preußischen Fortschrittspartei vollständig an jener Energie gebricht, welche erforderlich gewesen wäre, um auch nur jenen beschränkten Konflikt zwischen ihr und der preußischen Regierung würdig und siegreich zum Austrag zu bringen.

Indem sie trotz des ihr von der Regierung tatsächlich verweigerten Budgetbewilligungsrechtes fortfährt, fortzutagen und parlamentarische Geschäfte mit einem Ministerium zu erledigen, welches von ihr selbst für kriminalrechtlich verantwortlich erklärt worden ist, erniedrigt sie durch diesen Widerspruch sich und das Volk durch das Schauspiel einer Schwäche und Würdelosigkeit ohnegleichen!

Indem sie trotz des von ihr selbst erklärten Verfassungsbruchs fortfährt, fortzutagen, fortzudebattieren und mit der Regierung parlamentarische Geschäfte zu ordnen, ist sie selbst der Regierung behilflich und bietet ihr sogar die Hand, den Schein eines konstitutionellen Zustandes aufrecht zu erhalten.

Statt die Sitzungen der Kammer für auf so lange geschlossen zu erklären, bis die Regierung die von der Kammer verweigerten Ausgaben nicht länger fortzusetzen erklärt haben werde, und hierdurch der Regierung die unvermeidliche Alternative zu setzen, entweder das verfassungsmäßige Recht der Kammer zu achten oder aber auf jeden Schein und Apparat eines konstitutionellen Zustandes zu verzichten, offen und unumwunden als absolute Regierung zu wirtschaften, die ungeheure Verantwortlichkeit einer solchen auf sich zu nehmen und so selbst die Krise herbeizuführen, welche allmählich als die Frucht des offenen Absolutismus eintreten müßte — setzt sie selbst die Regierung in den Stand, alle Vorteile der absoluten Gewalt mit allen Vorteilen eines scheinbar konstitutionellen Zustandes zu verbinden.

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