GHDI logo

Ein türkisch-deutscher Schriftsteller über Wege zur Überwindung der türkisch-deutschen Trennung (22./23. August 1998)

Seite 4 von 4    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Es ist bemerkenswert, daß die deutsche Geschichte in den Debatten um Multikulturalität heute weitgehend ausgeblendet wird, sowohl von den Deutschen als auch von den Einwanderern. Die deutsch-türkische Affäre von heute kann und sollte keine Fortschreibung der deutsch-jüdischen Geschichte von gestern sein. Dennoch müssen wir unsere Visionen mit einem Rückblick konfrontieren.

Die deutsch-türkische Begegnung, aber auch andere Begegnungen zwischen Völkern, die eine Folge von Migrationen sind, also eine Verschränkung, ein dichtes Nebeneinader und Miteinander zur Folge haben, können ohne eine Klärung historischer Hintergründe nicht weitergedacht werden. Der Nationalismus stützt sich auf eine Verklärung der eigenen Geschichte.

Wenn der Griff des Nationalismus auf die Völker im 21. Jahrhundert gelockert werden soll, müßte die Verklärung der eigenen Geschichte durch Erklärung ersetzt werden. In der Hoffnung, daß im Erklären jenes Klären versteckt ist, das die deutsche Sprache in dieses Wort hineingeschmuggelt hat.



Quelle: Zafer Senocak, „Aber das Herz schlägt noch türkisch“, die tageszeitung (taz), 22./23. August 1998.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite