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Legislative Einschränkungen des Asylrechts (1. Juli 1993)

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Die wesentlichen Veränderungen im Asylverfahrensgesetz finden sich auch in der neuen Grundgesetzformulierung (Artikel 16a) wieder. Dieser wird mit der bisherigen Formulierung „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ eingeleitet. Sodann werden die Ausnahmen aufgeführt. Auf das Asylrecht könne sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der EG oder „aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist“. Diese „sichere Drittstaaten“ genannten Länder wurden, nach einem ebenfalls ins Grundgesetz eingefügten Hinweis, durch Gesetz bestimmt. Es sind Finnland, Norwegen, Schweden, Polen, die Tschechische Republik, Österreich und die Schweiz. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Asylbewerber, die über diese Staaten nach Deutschland einreisen, können „unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf“ vollzogen werden. Dahinter steht die Auffassung, solche Asylbewerber benötigten nicht mehr deutsche Hilfe, weil sie anderswo Schutz vor Verfolgung gefunden hätten. Mit Polen wurde ein Hilfsabkommen geschlossen, um zusätzliche Belastungen für das Land auszugleichen.

„Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet“, heißt es im Grundgesetz weiter. Diese „sicheren Herkunftsländer“ sind Polen, Ungarn, die Tschechische und die Slowakische Republik, Rumänien, Bulgarien, Gambia, Ghana und Senegal. Doch haben Asylbewerber aus diesen Ländern in einem verkürzten Verfahren die Möglichkeit, darzulegen, sie seien entgegen der Vermutung politisch verfolgt. Die „Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen“ wird in diesen und anderen offensichtlich unbegründeten Fällen vom Gericht nur ausgesetzt, „wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen“.

Die Führungen von Union und SPD betrachteten zuletzt die tatsächliche Entwicklung der Zuwanderung und die sie begleitende asylpolitische Debatte als Belastung des innenpolitischen Klimas. Der Demokratie drohe Gefahr. Ein Wort von Herbert Wehner, gesprochen im SPD-Parteivorstand im Jahr 1982, wurde in diesen Wochen gern zitiert. Die demokratischen Parteien, hatte der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende gesagt, würden hinweggefegt werden, wenn es nicht gelinge, das Problem zu lösen. Das Aufkommen der Republikaner und Gewalttaten gegen Ausländer galten in den Parteien als Vorboten einer solchen Entwicklung, der die Parteien vorbeugen wollten. Die in Wellenbewegungen sich wiederholenden Debatten über die Asylpolitik hatten keiner der Parteien genutzt, nicht der Union, die der SPD Schuld an den Zuwanderungszahlen gab, und nicht der SPD, die den Wunsch der CDU/CSU nach einer Grundgesetzänderung als Beweis für deren Ausländerfeindlichkeit bezeichnete. Derlei Debatten wurden nun beendet. Die weitgehend einvernehmliche Verabschiedung des asylpolitischen Gesetzespakets entzog diesen Teil der Ausländerpolitik dem parteipolitischen Streit.



Quelle: Günter Bannas, „Der Demokratie drohte Gefahr“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1. Juli 1993. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.

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