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Motive der Spätaussiedler (15. Juni 1989)

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Warum wollten sie überhaupt aussiedeln? „Deutsche müssen auf deutschem Boden leben“, sagt die Frau mit leuchtenden Augen. Wie sehen sie ihre Zukunft? „Wir wollen in Frieden leben und arbeiten“, sagt ihr Mann. „Und uns der BRD gegenüber dankbar erweisen.“

Schwach ist der Aussiedlerstrom zur Zeit aus Rumänien. Nur gut 600 Personen sind in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres aus Ceausescus Reich gekommen. Bei der Familie Ziegler aus Siebenbürgen ging es nach der Antragstellung schnell. „Wir durften vier Monate und 20 Tage später bereits raus“, erzählt Vater Johann Ziegler (47). „Wir werden zu meiner Schwester in Wuppertal ziehen. Kurz vor unserer Ausreise hat auch meine Mutter eingereicht . . . “

Mit ihm sind seine Frau Gerda (47), Tochter Gerda (18) und Sohn Albert (22) gekommen. „Nein, in Kleinkopisch und Umgebung ist von Systematisierung, wie die Kommunisten in Bukarest die Dorfzerstörung beschönigend nennen, nichts zu sehen“, sagt Ziegler auf eine entsprechende Frage. Er verneint auch die Frage, ob er nach der Antragstellung seinen Arbeitsplatz als Zimmermann verloren habe.

Die gesamte Familie spricht perfekt Deutsch. „Zu Hause und in der Volksschule von Kleinkopisch gelernt“, erklärt Gerda. Das Gymnasium besuchte sie im zehn Kilometer entfernten Mediasch. Einen Pfarrer gab es in der evangelischen Kirche im Wohnort nicht mehr, wohl aber zwei deutschsprachige Zeitungen. „Das Abhören deutscher Radiosender ist erlaubt“, fügt sie hinzu. „Aber das Hören von Radio Free Europe ist streng verboten.“

Ziegler schüttelt den Kopf auf Fragen nach Lebensmittelknappheit, Benzinmangel und Kälte in den Wohnungen. „Wir hatten ein eigenes Haus“, erklärt er. „So konnten wir Hühner und zwei Schweine halten. An Weihnachten wurden die Schweine geschlachtet. Das gab Fleisch für das ganze Jahr. Rationiert waren Zucker, Mehl, Öl, Fleisch und Brot. Benzin gab es 30 Liter im Monat. Wir hatten aber kein Auto. . . . Und in unserem Heim war es warm. Geheizt wurde mit Erdgas.“

Sorgen um Arbeitsplätze und Unterkunft machen sich die Zieglers nicht. „Ich suche Arbeit“, sagt Mutter Gerda. „Und ich nehme an, was sich bietet – egal, was.“ Auch Vater Johann ist zuversichtlich, Arbeit auf dem Bau zu finden. Für Tochter Gerda steht fest: „Zuerst mache ich das Abitur.“



Quelle: Walter H. Rueb, „Dank Gorbatschow durften wir raus“, Die Welt, 15. Juni 1989.

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