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Eine Volksmusik-Show im Fernsehen sentimentalisiert das ländliche Deutschland (2006)

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Gleich in der Pause gibt es Stadlbrot von einer Oldenburger Großbäckerei. Karl Moik gibt zwei Bäckerinnen das Wort: „Wir haben 46 Filialen im Raum Oldenburg, Bremen und Wesermarsch“. – „Und wie viele Geschäfte haben Sie?“– „46.“ – „Oha, das sind ja viele. Alle hier in Oldenburg?“

Karl Moik mag die Bäckerinnen, sie seien unverheiratet. „Und was ist drin in dem Brot?“ – „Natursauerteig, Sonnenblumenkerne...“ – „Halt! Sonnenblumenkerne, was sagt uns das?“ – „Keine Ahnung, ich weiß nur was über Kürbiskerne“. – „Ja, genau, Kürbiskerne. Kaufen Sie das Brot, dann geht es rund heute Nacht. Oder nehmen Sie es einfach als Erinnerung an diesen schönen Stadlabend mit.“

Karl Moik weiß um die Kaufkraft der älteren Generation. Eine DVD und eine CD hat er dabei, „was ganz was Schönes und Weihnachten ist ja auch bald“. Die gibt's in der Pause im Foyer, dazu die Tonträger der Auftretenden und das Stadlbrot von Bäckerei Meyer, „Stück zwei Euro, drei Stück drei, nein, zwei, also drei, fünf Euro.“

„Toll, so viele Leute“, ruft Claudia Jung aus dem Publikum.

„Tanz mit mir in den Morgen, und ich bleib heute bei dir“, haucht sie älteren Herren ins Ohr.

Und nun Semino Rossi! „Seine einzigartige, ausdrucksstarke Stimme jagt der Damenwelt samtige Schauer über die Haut.“ Da hat das Programmheft Recht. Während er singt, überreichen ihm Zuschauerinnen Plüsch, Blumen und Pralinen. Er dankt auf seine Weise: „Ich schenke alle Rosen dieser Welt dir im Namen der Zärtlichkeit.“

Dann „der Typ für Freude, Stimmung, Frohsinn“: Herbert Anton Hilger – besser bekannt als Tony Marshall. „Hach, ist das schön, endlich mal wieder in Oldenburg zu sein. So ein Publikum wünscht man sich jeden Abend, das ist ja unglaublich.“

„Schöne Maid, hast du heut für mich Zeit, hojahojaho. Sag bitte ja, dann bin ich nur für dich da, ho-jahojaho. Wir singen Tralala und tanzen Hopsasa, wir wollen fröhlich sein und uns des Lebens freun.“

„Wir wollen ganz zufrieden sein und trinken Bier und Schnaps und Wein. Wir wollen trinken, noch einen trinken, weil man die Sorgen dann vergisst.“ – So sieht es Tony Marschall.

„So ein Tag wie heute ist für euch die beste Medizin“, schmettert er den Rentnern entgegen. „Wir machen durch bis morgen früh. Wenn die anderen zur Arbeit gehen, sagen wir gute Nacht.“

Nach zweieinhalb Stunden ist Schluss. Noch vier Auftritte, dann will Karl Moik seine jahrzehntelange Karriere beenden. Sein Publikum wird ihn vermissen.



Quelle: Jan Kühnemund und Tim Holhöfer, „Wir tanzen Hopsasa“, ZEIT online, 16. November 2006.

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