GHDI logo

Einführung des Abiturs in Preußen: Edikt unterzeichnet von König Friedrich Wilhelm III., Staatskanzler Hardenberg und Friedrich von Schuckmann (12. Oktober 1812)

Seite 5 von 6    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


§ 10. Die schriftlichen Prüfungsarbeiten bestehen:

1. in einem deutschen Aufsatze, welcher vorzüglich die Bildung des Verstandes und der Phantasie beurkunden soll, wie auch, in seiner Abfassung, die Kenntniß der deutschen Sprache und die Gewandtheit in deren Gebrauch. Das Thema ist daher aus einem solchen Gebiete zu wählen, daß die Examinanden nach Neigung diese oder jene Form vorziehen können, jedoch muß der Gegenstand niemals ein blos factischer seyn.

2. einem lateinischen,

3. einem französischen.

Zu diesen Arbeiten werden sich, um die Anstrengung des Verfertigers nicht zu sehr zwischen Form und Materie zu theilen, historische Gegenstände eignen, für den lateinischen aus der alten, für den französischen aus der neuern Geschichte. Indessen darf auch hier keinesweges eine trockne Hererzählung von Thatsachen das Ganze ausmachen, sondern vielmehr die Beziehung mehrerer wichtigen Begebenheiten auf einander, und die Darstellung und Beurtheilung ganzer Zustände der Völker sind es, woran die Combinationsgabe der Jünglinge zu prüfen seyn wird.

4. einem mathematischen, wo gleichfalls besonders die Beurtheilungskraft des Examinanden in der Anwendung des Erlernten zu erforschen ist, und aus welchem hervorgehen soll, ob er selbst Fragen aufzufinden und Ansichten zu nehmen im Stande sei, und wie weit sich sein Combinations-Vermögen erstrecke;

5. zweien das Griechische betreffenden:

a) einer deutschen Uebersetzung eines Stücks aus einem in der Schule nicht gelesenen, den Kräften angemessenen, Autor, von den nöthigen Sprach- und Sacherklärungen begleitet;

b) einer kurzen Uebersetzung aus dem Deutschen ins Griechische, wobei etymologische und syntaktische, und überhaupt grammatische Richtigkeit in jeder Hinsicht, in Betracht kommen.

Die Anfertigung aller dieser Aufsätze geschieht ohne andere Hülfe, als bei den das Griechische betreffenden eines griechischen Lexicons, und unter gewissenhafter und ununterbrochener Aufsicht eines Lehrers der Schulanstalt. [ . . . ]

§ 15. Denjenigen Schülern, welche als unbedingt oder bedingt tüchtig zu den Universitäts-Studien vorbereitet befunden worden sind, wird angekündigt, daß sie die Schulanstalt verlassen und zur Universität abgehen können. Denen aber, welche das Urtheil der Untüchtigkeit erhalten, wird mit Eröffnung desselben der Rath ertheilt, die Schule noch eine Zeit lang zu besuchen, falls Hoffnung da ist, daß sie dadurch das Fehlende werden einbringen können. Im Fall sie sich aber von Beziehung der Universität nicht abrathen lassen, so ist auch ihnen das Resultat der Prüfung in einem Zeugniß auszufertigen. [ . . . ]

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite