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Einführung des Abiturs in Preußen: Edikt unterzeichnet von König Friedrich Wilhelm III., Staatskanzler Hardenberg und Friedrich von Schuckmann (12. Oktober 1812)

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§ 3. Aus diesem Grunde wird die Erforderlichkeit eines, auf die gleich näher zu bestimmende Art erhaltenen und abgefaßten, Entlassungs-Zeugnisses hiemit für alle von den Gymnasien und gelehrten Schulen des Preußischen Staats zur Universität abgehenden Jünglinge allgemein gemacht, und es werden deshalb die Abiturienten-Prüfungen auch bei allen denjenigen gelehrten Schulen ohne Ausnahme hiedurch angeordnet, bei welchen sie durch das Circulär vom 23. December 1788 noch nicht eingeführt waren.

§ 4. Diejenigen Schüler, die eine Universität beziehen wollen, müssen sich in der Regel 3 Monate vor ihrem Abgange bei dem Director oder Rector ihrer Schule melden, und das zu ihrer Immatrikulation bei der Universität erforderliche Entlassungs-Zeugniß nachsuchen. Dem Director oder Rector liegt alsdann ob, falls er den Schüler zur Beziehung der Universität noch nicht für reif genug hält, ihm selbst sowohl als seinen Eltern oder Vormündern und Angehörigen Vorstellungen darüber zu machen. Fruchten diese nichts, so muß der Director oder Rector gleichwohl den Schüler zu der Prüfung, in welcher der Grad seiner Fähigkeit und des nach Maaßgabe derselben ihm zu ertheilenden Zeugnisses ausgemittelt werden soll, zulassen. Nur Schülern, die noch in keinem Hauptfache in der ersten Classe der gelehrten Schule sitzen, kann dies Zeugniß geradezu versagt werden. Daß aber keiner zu früh in die erste Classe gelange, muß die Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit der Lehrer bei den Classen-Versetzungen zu verhüten suchen; und damit weder Schüler noch Eltern sich über Mangel offener und zeitiger Berathung beschweren können, ist ihnen schon bei den Censuren der zweiten Classe und weiterhin um so bestimmter, je näher die Zeit des muthmaßlichen Abgehens herankommt, das wohlmeinende, lediglich auf das Beste des Schülers gerichtete, Urtheil der Lehrer über seine Anlagen zu wissenschaftlichen Studien bekannt zu machen. Dies wird die Stelle eines für größere Anstalten zu umständlichen vorläufigen Tentamens vertreten.

Da aber Reife des Charakters nicht minder wichtig ist, als Reife des Geistes und Wissens, da von dem Einklang beider die Würde des auf den Universitäten herrschenden Tons abhängt, und das Departement auf das angelegentlichste wünscht, daß die studirende Preußische Jugend, aus welchen die künftigen Lehrer, Berather und Führer des Volks hervorgehen, sich hiedurch auszeichne; so macht es, indem die Ausmittelung der Reife des Charakters kein Gegenstand von Vorschriften und Prüfungen seyn kann, den Vorstehern der höhern Bildungs-Anstalten zur heiligen Pflicht, auch auf diese bei den zur Entlassungs-Prüfung sich meldenden Schülern vorzüglich mit zu sehen, Eltern und Vorgesetzten aber, die zu rasch mit ihren Pflegbefohlnen zur Universität eilen, die bedenklichen Folgen davon eindringlich vorzustellen, wenn sie dieselben mit Kenntnissen vielleicht zur Nothdurft versehen, aber mit noch schwankendem Charakter, nur damit sie um ein Weniges früher zum Brod und zu äußerer Ehre gelangen, in ein Verhältniß treiben, dessen freiere Selbstständigkeit ihr noch liebreicher Bevormundung des Vaters, des Lehrers oder Freundes bedürftiges Alter und ihr jedem Eindruck offenes Gemüth noch nicht zu ertragen fähig ist.

§ 5. Die Entlassungs-Zeugnisse sind in drei Abstufungen, nach der unbedingten Tüchtigkeit, der bedingten Tüchtigkeit, und der Untüchtigkeit der Individuen, getheilt [ . . . ].

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