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Der Sohn eines preußischen Unteroffiziers sinniert über seine Kindheit und Jugend im späten 18. Jahrhundert (Rückblick)

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Gesellen hatte mein Oheim nicht; er arbeitete allein; es war also nur eine kleine Werkstatt. Gleich in den ersten Tagen verdarb ich es mit meiner Tante und ihrer Mutter dadurch, daß ich von dem »Handwerke der Goldarbeiterei« sprach. Da kam ich schön an! Sie fuhren auf, als hätte sie eine Wespe gestochen. Es sei kein Handwerk, hieß es, sondern eine »Kunst« oder ein »Amt«. Die Goldarbeiter seien Künstler; es gäbe darin keine Meister, sondern Herren; denn wenn ein Geselle sich seßhaft mache, werde er Herr, und wenn die Herren zu einer Berathung zusammen berufen würden, hieße es: das Amt komme zusammen. Wie ich ferner den Ausdruck »Goldarbeiterei« gebrauchen könne? Das sei herabwürdigend; es gäbe wohl eine Schinderei, aber keine Goldarbeiterei; meine Aeußerungen seien ganz unbesonnen. Mein Oheim trat dem meist stillschweigend bei; auch ich schwieg, und mußte mir das Meinige denken [ . . . ]

[1802/03] Zu alledem kam ein neues Uebel. Ich hatte sehr viel zu vergolden; dabei mußte ich nicht allein die giftigen Quecksilberdämpfe einschlucken, weil nicht die geringste Veranstaltung getroffen war, mich dagegen zu sichern, sondern ich mußte auch die Hände, die eben im Feuer gewesen waren, mit den vergoldeten Sachen in kalte Bierneigen bringen und sie dann, ohne sie vollständig trocknen zu können, der kalten Luft und darauf wieder dem Feuer aussetzen. Diese stete Abwechselung von Hitze, Kälte, Trockenheit und Nässe war nicht zu vermeiden. Schon im November hatte ich an beiden Händen alle Finger, mit Ausschluß der beiden Daumen, erfroren. Ich versuchte Mittel dagegen anzuwenden; sie halfen nicht und konnten nicht helfen, da ich die Finger nicht schonen durfte und dieselben Ursachen dieselben Uebel wieder erzeugten. Alle Finger brachen auf und fingen unter heftigen Schmerzen an zu eitern. Zwar band ich Lappen um, allein täglich mußte ich sie wieder lösen, weil ich ebenso arbeiten mußte, als hätte ich die gesundesten Finger von der Welt. Auch nicht eine Spur des Mitleidens oder Mitgefühls äußerte sich, wohl aber Unwillen über meinen Zustand und Aeußerungen des Ekels [ . . . ]

[Am 31. 12. 1806 wird Klöden freigesprochen und damit zum Gesellen.]



Quelle: Karl Friedrich von Klöden, Jugenderinnerungen. Herausgegeben von Max Jähns. Leipzig, 1874, Auszüge, S. 13-200.

Abgedruckt in Jürgen Schlumbohm, Kinderstuben, Wie Kinder zu Bauern, Bürgern, Aristokraten wurden 1700-1850. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1983, S. 268-99.

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