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Kindheit in Rostock an der Ostsee, aus Sicht der Aufklärung und der rationalistischen Medizinwissenschaften (1807)

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Ein zweytes unentbehrliches Requisit unserer thierischen Organisation ist die Luft, deren Einfluß auf den kindlichen Körper schon in den Schriften der neuern Pädagogen und Diätetiker so bestimmt angegeben ist, daß ich ihn als allgemein bekannt voraussetzen kann. Den Aerzten ist er außerdem schon bekannt. Ich glaube aber, daß man für die ganz kleinen Kinder in dieser Hinsicht bey uns nicht allemal genug Sorge trägt. So lange sie die Kinderstube noch nicht verlassen können, oder sich doch viel in derselben aufhalten müssen, sollten die Aeltern vor allen Dingen darauf Rücksicht nehmen, ihnen eine recht gesunde Kinderstube zu geben. Aber daran denkt man in der That noch zu wenig. Wenn ich hier auch gar nichts von dem geringen Handwerker oder dem Arbeitsmann sagen wollte, die sich auf eine sehr kleine und enge Wohnung überhaupt einschränken müssen, folglich auch keine eigene Kinderstube haben können, sondern gewöhnlich ihre Kinder in dem Stübchen bey sich haben, wo sie wachend oder schlafend den größten Theil der Zeit beysammen sind und ihre Geschäffte verrichten: so könnten doch die wohlhabendern und vornehmern Einwohner oft weit mehr für die Gesundheit ihrer Kinder in diesem Punkt thun, als wirklich geschieht. Sehr viele Kinderstuben sind vermöge der Einrichtung der hiesigen Giebelhäuser in die Hintergebäude verlegt, wo es freylich immer am ruhigsten und stillsten zu seyn pflegt: dagegen aber haben diese Stuben gewöhnlich die Fenster nach einem kleinen engen, auch wohl schmuzigen Hofe hin, es fehlt ihnen daher auch mehrentheils an Licht, und wenn die Fenster von Zeit zu Zeit geöffnet werden, so erhalten sie doch auf diesem Wege keine reine und gesunde Luft. Ueberdem werden die Fenster insgemein nur selten geöffnet, man trocknet zur Winterszeit die feuchte Wäsche der Kinder an dem Ofen, und läßt es geschehen, daß die Luft noch durch den Aufenthalt der übrigen Domestiken in solchen Zimmern, die darin essen, trinken, schlafen und andere Geschäffte verrichten, auf eine wirklich oft unverantwortliche Art verunreinigt und verdorben wird. Andere haben gar nicht einmal eine Kinderstube, sondern begnügen sich mit dem Wohnzimmer, oder stellen auch die Wiege in den angränzenden Alkoven, welches nicht viel besser ist [ . . . ]

Besonders wichtig scheint es mir aber zu seyn, daß man das Gesinde, welches einen so mannichfaltig nachtheiligen Einfluß auf die kleinern und größern Kinder haben kann, aus den Kinderstuben entfernt, und dann auch sich im Ganzen der Reinigkeit mehr befleißigt [ . . . ]

Sobald die Kinder so weit gekommen sind, daß sie für sich gehen können, pflegen sie gern die eingeschlossene Stubenluft zu fliehen. Sie laufen dann in den Häusern oder vor den Thüren umher, man schickt sie auch wohl in die Luft. Die Kinder der Aeltern, welche ich zu der untersten Klasse der Einwohner zähle, auch wohl die der Handwerker, pflegen gemeiniglich den ganzen Tag auf den Straßen zuzubringen, wobey sie sich recht wohl zu befinden scheinen. Aber dessen ungeachtet kann ich dieses Herumliegen auf den Straßen doch nicht billigen, und die Polizey sollte es nicht dulden. Denn nicht einmal zu gedenken, daß die Kinder ohne Aufsicht sind, und von einander allerley böse Gewohnheiten lernen, kommen sie nur gar zu leicht in Gefahr, zu fallen, getreten, gestoßen und übergefahren zu werden. Es ist in der That zu bewundern, daß dieses nicht noch häufiger der Fall ist, als es wirklich geschieht, da besonders die engern Straßen, welche von dem gemeinen Mann am meisten bewohnt werden, immer mit Kindern angefüllt sind.

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