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Eine Adlige aus Schleswig-Holstein sinniert über ihre idyllische Kindheit im späten 18. Jahrhundert (Rückblick)

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Des Sommers in Rudegaard, dessen schöne Umgebung mir schon damals in dem grünen Zauberlicht erschien, welches noch alle seeländischen Gegenden in meiner Erinnerung verklärt, gedenke ich mit besonderem Vergnügen. Ich höre noch das Rauschen des mächtigen Waldes, der sich an unseren Garten anschloß und mir Schauer der Angst wie der Lust einflößte, ich freue mich noch der freieren besonnten Plätze in ihm, wo ich so herrliche Erdbeeren sammelte. Mein größtes Vergnügen war indeß damals der Umgang mit der alten Haushälterin Sagern, die mit mir spazierte und mir Märchen erzählte. Es machte mir Freude, ihre kleinen Habseligkeiten zu verstecken; einmal schnitt ich sogar den Schoß ihrer Kontusche ab und verkündete nun triumphirend, ich hätte sie modernisirt.

Schloß Antwortskow ward mir über Alles lieb. Es bildete ursprünglich ein Viereck, in dessen Mitte sich der Burghof befand. Ein Flügel des Schlosses war zum Theil verfallen. Die Kapelle, der Rittersaal, der Burghof, die niedrige alterthümliche Pforte, die als Hausthür gebraucht wurde, die langen öden Klostergänge, die schmalen Stiegen, Alles sprach mich romantisch an. Die Wohnung meiner Mutter war freundlich eingerichtet. Aus dem hellen Gartensaal trat man auf die hohen Terrassen, wo mich der Wind mit so lustiger Gewalt faßte und herumwirbelte. Unten in dem engen Thal gab es viel Erdbeeren. Auch für den großen Wald, in dem wir auf unseren Fuß- und Fahr-Promenaden immer neue Partien entdeckten, hatte ich eine mit Grauen gemischte Vorliebe. Eine Stelle darin, wo auf gekappten oder halb umgeworfenen, dürren Bäumen Hunderte von Reihernestern zu schauen waren, steht noch wie ein Spuk vor mir.

Hier in Antwortskow veranstaltete mein Vater seinem Schwiegervater, dem Minister Andreas Petrus Bernstorff, am 28. August 1796 eine herrliche Geburtstagsfeier, mit der ein Erntefest verbunden wurde. Nachdem wir Kinder den Großvater bekränzt, ihm auch wohl Verse hergesagt hatten, verkroch ich mich zwischen seinem Sessel und dem meiner Großmutter, die beim schönsten Wetter auf dem Schloßhof, dem großen Thorweg gegenüber, aufgestellt waren. Aus diesem trauten Versteck heraus freute ich mich bewundernd und staunend des ländlich prächtigen Aufzuges von so viel gut berittenen Bauern und der Menge bekränzter und mit Laubdächern versehener Wagen, auf welchen Bauern und Bäuerinnen laut jubelnd Kränze und Tücher schwangen. Beim folgenden Tanz auf dem festlich geschmückten und gedielten Hofraum wurde auch ich oft mit in die Reihen gezogen. Die Erhitzung beim Tanzen mußte ich jedoch mit dem ersten Kranksein meines Lebens büßen, denn in der Nacht befielen mich böse Krämpfe, die auch zwei bis drei Jahre hindurch von Zeit zu Zeit nächtlich wiederkehrten; auf mich machten sie aber so wenig Eindruck, daß ich nie begriff, weshalb sie meiner Mutter so viel Thränen kosteten. Die Kuren, die man mich dagegen brauchen ließ, namentlich die unzählig vielen Blutegel, mit denen man mich quälte, schienen gar keinen Einfluß auf das Uebel auszuüben, thaten dagegen meiner bis dahin kernfesten Gesundheit wohl dauernden Schaden. [ . . . ]

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