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Die Kindheit und Jugend eines preußischen Adligen im späten 18. Jahrhundert. Aus den Erinnerungen Friedrich August Ludwigs von der Marwitz (Rückblick)

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Erziehung meiner Söhne

Was die Erziehung meiner Söhne anbetrifft, so sollen sie keine sogenannte wissenschaftliche Erziehung bekommen, durch welche das gesunde Urteil und die Tatkraft, welche der Schöpfer in den Menschen gelegt hat, verschroben und gelähmt wird, sondern sie sollen ordentlich Mathematik, Sprachen, Geschichte und Erdkunde lernen, zum Selbstdenken und Selbsthandeln angeführt, ihr Körper möglichst geübt und gestärkt und sie dahin geführt werden, daß sie Gott, welcher höher ist, als aller Menschen Wissen und Vernunft, beständig vor Augen und im Herzen haben [ . . . ]

[Beide Söhne sollten zunächst Offizier, der zweite später Landwirt werden. Er wird sich in der Armee] weit besser auch zu jedem anderen Staatsdienst (wenn er einen solchen suchen muß) ausbilden, als durch Stuben-Examina und durch das Auswendiglernen von stets wechselnden und unheilbringenden Theorien [ . . . ]

Ich hoffe, daß meine Söhne sich niemals an ein so wandelbares und bewegliches Ding hängen werden, wie das Geld ist. Dieser Götze verschlingt alle diejenigen, die ihm opfern. Das Wuchern und Spekulieren mit selbigem ist ein unwürdiges Kunststück, durch welches man den Erwerb seines Nebenmenschen auf sich zu übertragen sucht, oder wenigstens eine faule Art, sich durch die Welt zu bringen.

Ich hoffe im Gegenteil, daß sie ihren Grundbesitz erhalten und ihn pflegen werden, nicht wie ängstliche, isolierte Landwirte, sondern zugleich als Väter, Versorger und Vorbild ihrer Untertanen, bemüht, diese vor dem allgemeinen Verderben zu bewahren, sie auch ihrem Grundbesitz treu, fleißig und dem Vaterlande ergeben zu erhalten, deshalb sich um Schule, Kirche, Gerichtspflege und Polizei bekümmern und sie leiten, soviel es die Landesgesetze noch gestatten; – sodann in den Angelegenheiten der Provinz sich keiner Arbeit entziehen und keine Mühe scheuen, denn nur im Zusammenhange mit dieser kann das Wohl der einzelnen Ortschaften gedeihen; – endlich aber das Vaterland verteidigen, so oft es Not tut [ . . . ]



Quelle: Friedrich August Ludwig von der Marwitz, Ein märkischer Edelmann im Zeitalter der Befreiungskriege. Herausgegeben von Friedrich Meusel. 3 Bände. Berlin, 1908. Band. 1, S. 3-143, 716f.

Abgedruckt in Jürgen Schlumbohm, Kinderstuben, Wie Kinder zu Bauern, Bürgern, Aristokraten wurden 1700-1850. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1983, S. 188-208.

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