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Die Kindheit und Jugend eines preußischen Adligen im späten 18. Jahrhundert. Aus den Erinnerungen Friedrich August Ludwigs von der Marwitz (Rückblick)

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[1797–1804]

Ich fing nun an, im Wissen das nachzuholen, was mir in der Jugend zu wenig davon beigebracht worden war. – Ich lernte Latein gründlich und hörte Logik und einige andere philosophische Elemente, beides führte zu richtigem und scharfem Denken, und da es mir so sehr leicht wurde, so entstand schon damals der Glaube in mir, daß man die Kinder und heranwachsende Jugend viel zu früh mit dergleichen plage. Sie werden verwirrt gemacht, sind froh, wenn sie nichts mehr damit zu tun haben und verleben ihre Jünglingsjahre in Nichtstun und Wildheit. Für die Kinderjahre gehört vielmehr nur mäßiges Lernen, dagegen die Aufsicht und das Beispiel des Vaters, die Ordnung und Zucht des väterlichen Hauses, Erweckung des Sinnes, um durch Sehen und Hören und Mitmachen zu lernen, nicht bloß dadurch, daß der Lehrer dasteht und vorpredigt. Für den Jüngling aber gehört eigene körperliche Anstrengung und Mühe und gründliches Studium einzelner Wissenschaften nacheinander, nicht von allen auf einmal [ . . . ]

b. Testament (1828/1831)

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Ermahnung an meine Kinder

Ich hoffe, daß alle meine Kinder sich beständig des Geschlechtes erinnern werden, aus dem sie entsprossen sind, – eines Geschlechtes, welches niemals sein Trachten gesetzt hat auf irdisches Gut, sondern immer nur auf die Ehre, auf das Wahre und Rechte, von welcher Richtung des Sinnes es mehrere glänzende Beispiele gegeben hat. Ich hoffe daher, daß alle meine Kinder dieser Richtung folgen und in steter Einigkeit und Liebe zu einander verbleiben werden, so daß sie den Bruder nicht beneiden werden, wenn das Glück ihn begünstigen sollte, und daß hinwiederum er nicht murren wird, wenn seine Geschwister ihm vielleicht viele Mühe und Arbeit verursachen werden. Sie müssen alle stets eingedenk sein, daß sie nicht zu Verzehrern gesetzt sind des irdischen Guts, sondern nur zu treuen Verwaltern, und daß sie es auf ihre Nachkommen bringen sollen, so wie ihre Väter es ihnen hinterlassen haben.

Der Mensch ist keine isolierte Pflanze in der Schöpfung, die für sich allein lebt und stirbt, sondern seine Geschlechter sind ein zusammenhängendes Ganze, das zusammenhängend bleiben und gute Gesinnungen nach dem Willen des Schöpfers fortpflanzen soll [ . . . ]

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