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„Die Erziehung des lippischen Landsmanns” (1789)

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Hier wird in langen Winterabenden, von Hausherrn, Frau und dem Gesinde, klein und groß, von jedem, die ihm nach Maasgabe des Alters und der sonst obliegenden Geschäfte herkömmlich angewiesene gewisse Zahl Gebinde Garns, bey einem, an einem beweglichen hölzernen Haken, mitten in der Stube hangenden Lampen gesponnen. Die vielleicht zu freien Gespräche der Alten durch die Gegenwart der Kinder, und der Muthwille der letztern durch den Ernst der Alten gemäßigt, und so die Zeit in angenehmen Kreisen mit Spinnen zugebracht, die sonst doch nur mit Nichtswürdigkeiten vertändelt seyn würde. Wie sehr würde lange Weile Menschen martern, die sich durch spekulative Betrachtungen nicht unterhalten können, wenn ununterbrochene Arbeit und Beschäftigung ihnen diese Unterhaltung nicht wohlthätig gewährte.

Wie viel Garn jeder er sey klein oder groß in diese Spinnstube täglich liefern müsse, soll bey der stuffenartigen Beschreibung eines jeden emsigen Bedienten in dieser gemeinschaftlichen Vorrathsstube hiernächst bemerklich gemacht werden. Das was der 7jährige Knabe, der die Gänse hütet liefern muß, ist schon vorhin bemerkt.

Dieser wird im 9ten Jahre Kuhhirte. Das Kuhhüten dauert von Maytag an bis Martini, wobey er in der Mittagszeit wenigstens eine Stunde in die Schule gehen, oder wenn dies nicht möglich ist, den Heidelbergischen Catechismus und Psalter, nach Verordnung des Schulmeisters lernen, des Winters aber 6 Stunden in die Schule gehen; dabey täglich entweder 9 Binde Garn über der langen oder 15 Bind über den kleinen Haspel spinnen muß.

Vom 10ten bis ins 12ten Jahre bleibt es beym Kuhhirten, Schulgehen und Zahl Garn spinnen wie in der vorhergehenden Epoche.

Vom 12ten bis ins 13te Jahr muß er aber des Sommers alle Sonntag Nachmittag in die Kinderlehre gehen, (nehmlich in die Kirche wo der Prediger catechesirt) damit die Begriffe der Religion in den Gemüthern erneuert werden, die sonst bald ausarten würden und damit der Jüngling nicht in Unwissenheit zwischen den Viehheerden aufwachse.

Der Kuhhirte bekommt, wenn er nicht bey seinen Eltern ist, an Lohn vom Sommer 1 Rthlr., und 3 Ellen Mengellakenlinnen (von einmal gehechelten Flachse, wozu heeden Einschlag kömmt) zum Hemde.

Vom 13ten Jahre an wird er Pferdejunge und gehet dabey von Martini (den 11ten Nov.) an des Winters 6 Stunde in die Schule und einen Tag um den andern auch zuletzt tagtäglich zum Prediger zur Confirmation, die dann gewöhnlich vor Maytag erfolgt damit ein jeder die ihm obliegende Dienste thun könne.

In dieser Zeit vom 13ten bis ins 16te Jahr muß er als Pferdejunge, des Sommers den Pflug treiben auch solchen zuweilen halten, in der Heuerndte heuen helfen, in der Kornerndte abnehmen (gemehet Schwaden Korns in Ordnung legen) und harken.

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