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Problematische Gedanken über Parteien: Auszüge aus dem Staats-Lexikon: „Parteien” (1845-1848)

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Gemeinsames Merkmal dieser Parteien ist somit die Vertretung von Interessen, die den Interessen der Gesammtheit entgegengesetzt sind, Benutzung der Gesammtheit als Mittel für außer ihr liegende Zwecke. Sie unterscheiden sich nur durch die Mittel, welche sie zur Erreichung ihrer Zwecke anwenden. Die Vertreter des politischen Absolutismus zwingen unmittelbar durch die verschiedenartig sich aufstufenden Mittel der Gewalt. Die Vertreter der „Kirche" erreichen ihre Zwecke durch eine eigenthümliche Bearbeitung des menschlichen Gemüths, und die Vertreter des Capitals benutzen das allgemeine Verkehrsmittel, das Geld, um die Nichtbesitzenden ihrem Interesse dienen zu lassen. Diese Parteien sind sämmtlich conservativer Natur, d. h. sie suchen mit allen Mitteln dahin zu wirken, daß der ihren Interessen entsprechende Zustand des Bestehenden, den sie entweder vorgefunden oder geschaffen haben, aufrecht erhalten werde, sie suchen daher um jeden Preis zu verhindern, daß die Gesammtheit, das Volk, in eine Lage komme, in welcher es die Privilegien vernichtet und der Gesellschaft eine dem Interesse der Gesammtheit entsprechende Form giebt; diese Parteien sind unbedingt conservativ, d. h. sie suchen das Bestehende zu erhalten, auch wenn es noch so widersinnig, corrupt und unnatürlich, dem Interesse der Gesammtheit widersprechend wäre; für sie ist nicht die Vernünftigkeit, die Zweckdienlichkeit, das Wesen, der Kern maßgebend für die Erhaltung des Bestehenden, sondern die Thatsache allein, daß Etwas besteht, daß es geworden ist; also die leere Form, die Aeußerlichkeit, Inhaltslosigkeit, d. h. sie „ermäßigen, wie Rohmer sagt, die Principien durch die Geschichte und das Recht", sie machen den Cultus der Form, des formellen, des positiven Rechts zum höchsten Zweck.

Diesen Parteien, den Vertretern der Privilegien gegenüber, steht die Partei, welche die allgemeinen Interessen vertritt. Es ist Dies die demokratische Partei, denn weil sie jedem Einzelnen sein Recht wahren will, sucht sie die Gesammtheit dieser Einzelnen, das Volk, in die Lage zu bringen, die Form des Staates seinen, d. h. den Volksinteressen, den Interessen der Gesammtheit anzupassen. Wie die Parteien der Privilegien wesentlich conservativer Natur sind, so charakterisirt sich die demokratische Partei als eine reformatorische, eine schöpferische. Jenen geht die Productivität, die Bildungsfähigkeit ab, ihre Interessen bewegen sich in fertigen, abgeschlossenen Formen, ihre Thätigkeit beschränkt sich somit auf die Erhaltung dieser Formen; als ihrer Lebensbedingungen. Diese, die demokratische Partei repräsentirt die organische Entwickelung vom Alten zum Neuen, vom Unbrauchbar-Gewordenen zum Besseren, denn ihre Interessen sind: die der Menschheit, die Menschheit aber befindet sich in einem ewigen Verjüngungsproceß der Abstreifung obsolet gewordener Formen. Die Parteien der Privilegien sind stabil, ihre Bewegung ist nur eine scheinbare, mechanische, ewig in demselben Kreise sich beschränkende, der die einmal bestehenden Formen umfaßt. Die demokratische Partei ist fortschreitend, von innen heraus sich entwickelnd, organisch sich ausbildend, lebendig. Jene vertheidigen: offenbare Gebrechen des öffentlichen Lebens, auch wenn sie dem allgemeinen Interesse nachtheilig, wenn sie nur den Privilegien förderlich sind; diese kennt als höchsten Zweck nur das Wohl aller Einzelnen, und was diesem entgegensteht, das vernichtet sie, und wäre es durch tausendjährigen Bestand, durch den dicksten Rost der Jahrhunderte sanctionirt, positiv gemacht; was dagegen mit jenem höchsten Zweck sich verträgt, das respectirt auch die demokratische Partei, sie ist also ebenfalls conservativ, aber nicht unbedingt, sondern kritisirend, erwägend, prüfend, sie conservirt nur das Gute, das Wahre, das dem allgemeinen Zwecke Dienliche, aber nicht das Schlechte, das Falsche, das Unbrauchbare, sie conservirt mit einem Wort, nicht weil Etwas besteht, sondern weil es vernünftig und gut ist, sie betrachtet nicht blos die Form, sondern das Wesen, den Kern, den Inhalt.

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