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„Ärztlicher Rat für die körperliche und seelische Gesundheit der Kinder” (1794)

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85. Worin muß also die körperliche Erziehung der Kinder vorzüglich bestehen?
Daß man die Kinder in Gesellschaft mit Kindern und in freyer Luft froh und selbstthätig seyn, und Körper und Seele üben lasse.

(Anm. Daß die Ältern bey dieser körperlichen Erziehung ihrer Kinder nicht allein Aufsicht auf sie haben und sie vor allem Schaden hüten, sondern auch, daß sie ihre Kinder sittlich und ehrbar zu allem Guten und durch ihr tugendhaftes Beyspiel zur Tugend erziehen werden, ist leicht einzusehen.)

86. Müssen die Kinder weiblichen Geschlechts die nähmliche körperliche Erziehung, als die Kinder männlichen Geschlechts in der frühen Kindheit erhalten?
Ja, denn sie müssen künftig, als Frauen, eben so gesund, als die Männer seyn.

(Anm. Daß das weibliche Geschlecht in der frühen Kindheit vom männlichen Geschlechte getrennt und verschieden gekleidet, und von Leibes-Bewegungen ab- und zum Sitzen angehalten wird: das hat die nachtheiligsten Folgen auf die Gesundheit und das Wohl des Menschengeschlechts.)

87. Wenn man Kinder vor dem neunten Jahre viel und anhaltend sitzen läßt, was geschieht alsdann?
So wachsen sie nicht recht, und werden für ihr ganzes Leben schwach und kränklich.

88. Was geschieht, wenn Kinder vor dem zwölften Jahre zu schwerer körperlichen Arbeit angehalten werden?
Sie werden frühzeitig steif, abständig und alt.


VI. Von der Kleidung der Kinder vom Anfange des dritten bis zum Ende des siebenten oder achten Jahrs [ . . . ]

102. Wie muß die eigentliche Körper-Kleidung der Kinder beschaffen seyn?
Sie muß die freye, leichte Bewegung des Körpers nicht erschweren, und den freyen Zutritt der frischen, stärkenden Luft zum Körper nicht verhindern; sie muß folglich frey, weit und offen seyn.

103. Was muß sie weiter für Eigenschaften haben?
Sie muß einfach, rein, leicht, kühl, wohlfeil, und leicht an- und abzulegen seyn; und diese Kinder-Kleidung muß verschieden von der Kleidung älterer und erwachsener Menschen seyn.

104. Warum muß die Kleidung der Kinder verschieden von der Kleidung älterer und erwachsener Menschen seyn?
Damit die Kinder unter sich leben, und nicht alles, was Erwachsene thun, nachahmen.

105. Woraus sollte also die Kleidung der Kinder bestehn?
Aus einem weiten, leinenen Kittel, weiß und blau gestreift, mit weiten, kurzen Aermeln, und einem Hemde von der nähmlichen Gestalt, als der Kittel. [ . . . ]



Quelle: Bernhard Christoph Faust, Gesundheits-Katechismus zum Gebrauche in den Schulen und beim häuslichen Unterrichte. Bückeburg, 1794, S. 17-28.

Abgedruckt in Jürgen Schlumbohm, Kinderstuben, Wie Kinder zu Bauern, Bürgern, Aristokraten wurden 1700-1850. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1983, S. 53-60.

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