GHDI logo

„Ärztlicher Rat für die körperliche und seelische Gesundheit der Kinder” (1794)

Seite 5 von 6    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


77. Wird durch diese Bildung des Körpers auch die Vollkommenheit der Seele und des Menschen befördert?
Ja; je vollkommner der Körper ist, desto vollkommner wird die Seele, und desto mehr kann der Mensch seine und seiner Nebenmenschen Glückseligkeit befördern.

78. Kann die Seele den Körper gebrauchen, ohne es gelernt und ihn geübt zu haben?
Nein; die Seele muß viele Jahre, die ganze Kindheit hindurch, sich üben, um den vielfach zusammengesetzten Körper recht gebrauchen zu lernen.

(Anm. Durch ungefähr 440 Fleischstränge, oder Muskeln, die vermittelst einer noch viel größern Zahl Nerven von der Seele in Bewegung gesetzt werden, geschehen alle freywillige Bewegungen des Körpers: die Seele muß sich also viele Jahre, und zwar in der Kindheit, wo sie ganz Leben und Thätigkeit, und wo der Körper weich und geschmeidig ist, üben, wenn sie lernen will, diese 440 Muskeln zu den unendlich vielfachen Bewegungen des Körpers zu gebrauchen.)

79. Haben diese Uebungen auch Nutzen für den Körper?
Ja, seine Vollkommenheit wird dadurch erlangt, und der ganze Körper wird durch diese Leibesübungen von Leben und Wohlseyn durchdrungen.

80. Was nützen dem Kinde die Empfindungen und Erkenntnisse, die seine Seele durch die Sinne empfängt?
Sie sind der Grund und Stoff zum Verstande, und je mehr und deutlicher die Seele gesehen, gehört und empfunden hat, desto verständiger wird der Mensch.

81. Welchen vorzüglichen Nutzen hat es, daß die Kinder unter sich in Gesellschaft leben?
Sie lernen sich kennen, verstehen und lieben; und sie legen dadurch den Grund zur Eintracht, zur Liebe und zum Glücke des Lebens.

82. Und daß der Mensch als Kind in Gesellschaft mit Kindern froh und glücklich sey, hat das auch Nutzen für das übrige Leben?
Ja, es trägt sehr viel dazu bey, daß der Mensch auch im übrigen Leben seiner Bestimmung gemäß verständig, tugendhaft und glückselig werde.

83. Wodurch werden alle diese weisen Absichten der Natur erreicht und befördert?
Durch freye Selbstthätigkeit, und durch beständige und leichte Uebungen des Körpers und der Sinne in Gesellschaft mit Kindern.

84. Finden wir auch wirklich, daß dieß mit der Natur der Kinder übereinstimme?
Ja, Kinder sind ganz Leben und Thätigkeit, Sinn und Gefühl, Frohseyn und Lachen, und sie suchen, in Gesellschaft mit Kindern zu leben.

(Anm. Vom zwölften bis zum achtzehnten Jahre, in der Jugend, muß der geübte, geschmeidige Körper, durch Leibesübungen und körperliche Spiele stark; die kenntnißreiche, nachforschende Seele muß durch Nachdenken und Unterricht verständig, und der Mensch, dessen Kindheit so froh und glücklich dahin floß, muß als Jüngling tugendhaft werden: und das wird er, wenn er Freude und Leid für sich genossen und mit andern getheilt hat; und wenn er zur deutlichen Erkenntniß gekommen ist, daß er und alle Menschen gleichen Freuden und Leiden ausgesetzt sind, und daß ein allgütiger Gott Alles gut, und alle Menschen zur Glückseligkeit schuf.)

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite