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Die klassizistischen und romantischen Stile: Briefwechsel zwischen Clemens Fürst von Metternich und König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1840)

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II. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen an Metternich Sanssouci, 21. Juni 1840.

Ihr Brief, theuerster Fürst, in seiner antiken Kürze des Ausdruckes und bedeutungsreichen Inhaltes ist ein schönes Monument auf den Geliebtesten und Verehrtesten, den wir beweinen. Ach! wer Ihr warmes Herz mit Ihrem kalten Kopf vereinigte! Das ist das gewisse Mittel, immer Recht zu behalten und richtig zu steuern. Ich fühle nur zu deutlich, daß dieser Verein mir abgeht, denn ich vermag mich nicht von dem Schlage zu erholen, der uns niedergeschmettert hat, und meine Lage erscheint mir wie ein Traum, aus welchem ich sehnlich das Erwachen wünsche.

Nach einem Fürsten, wie der König, seine Stelle einnehmen zu müssen, ist eine Aufgabe, deren ungeheure Schwierigkeit man im Auslande kaum im Stande ist zu ermessen.

Wie mächtig erschütternd und erhaben die Art, mit der Gottes Hand den theuren Seligen durch's Leben geführt hat, seine Liebe zum unscheinbaren Wirken zum Guten – und im Gegensatz die trüben oder glorreichen Schicksale, durch die ihn Gott führte, sein demüthiges Streben Ihm allein die Ehre zu geben, zur bösen und zur guten Stunde, und dagegen die Verherrlichung seiner Regierungsjahre durch göttliche Führung, das Alles kennt man im Auslande wie im Inlande, und vermag man dort wie hier auf Marmortafeln der Nachwelt zu überliefern. Den Eindruck aber solcher Schicksale einer dreiundvierzigjährigen Regierung mit den furchtbarsten Stürmen im Anfang und dem längsten und segensreichsten Frieden in der Geschichte am Ende derselben – den Eindruck dieser natürlichen von jedem Klappern des Handwerks fernen Regierung auf's Volk, auf alle Stände, auf Gute und Böse, den kennt Keiner, der nicht unter diesem Walten herangewachsen, und aus ihm seine Lebenskraft gesogen hat! Bedauern Sie mich also, lieber theurer Fürst, das kommt mir so zu.

Nicht, daß ich nicht einsähe, wie Manches noch zu thun, zu vollbringen, zu vollenden ist; nicht, daß mir's am Streben fehlte, und zumal an dem Streben im Verein mit Oesterreichs kaiserlicher Macht, auf die Hebung und zur Verherrlichung unseres theuren deutschen Vaterlandes zu wirken und so im Herzen Europas eine schwungreiche Einigkeit und Einheit zu erzielen, an welcher (es komme aus welcher Zone es wolle) böser Wind und böses Wetter machtlos anschlage – aber was mir immer fehlen wird ist das, was ihm gewiß war im Voraus: der jauchzende Zuruf seiner Völker, die dem erfahrungs- und jahrereichen Monarchen vertrauten, daß er nichts unternehme, was nicht kalt und reif durchgedacht sei. Gestehen Sie es, lieber Fürst, ich habe Recht!

Nun, ich stelle Alles in Gottes Hand. Sie, verehrter Fürst, gehören nicht Oesterreich allein. Der Sohn des Königs von Preußen glaubt ein Recht an Sie zu haben, und so werde ich getrost Sie als meinen Rathgeber und Freund so lange betrachten und behandeln, bis Sie mir etwa zu erkennen geben, so sei's nicht von Ihrer Seite gemeint.

Leben Sie wohl, lieber theurer Fürst, haben Sie Dank für Ihren schönen Brief an mich, für Ihre Freundschaft zum unvergeßlichen Vater – für die Freundschaft, von welcher Sie mir schon so manche Beweise gegeben haben; auf die zähle ich ganz besonders. Vielleicht segnet Sie Gott, wie er Jenen gesegnet hat: zum Heile Deutschlands und Europas.

Mit wahrer Freundschaft und hochachtungsvollstem Vertrauen, lieber Fürst, Ihr ergebener Friedrich Wilhelm.



Quelle: Clemens Wentzel Lothar von Metternich, Aus Metternich’s nachgelassenen Papieren, Hg. Richard von Metternich-Winneburg. Wien: Wilhelm Braumüller, 1880-84, Band 6, S. 441-42, 445-46.

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