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Korrespondenz des preußischen Königs Friedrich II. (des „Großen”) vor der ersten Teilung Polens (1770-71)

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Friedrich an Graf Solms (Potsdam, 27. Februar 1771)

Ihre Depesche vom 12. dieses Monats ist mir treu überbracht worden, und da ich aus ihr entnehme, dass der Postillon, der die Post des 27. Januar transportierte, in der Umgebung von Petersburg ausgeplündert wurde, beeile ich mich, Ihnen beiliegend ein Duplikat meiner dringenden Befehle vom 27. desselben Monats zu schicken.

Ich lege Ihnen darüber hinaus eine Kopie eines Passes bei, ausgestellt am 8. November 1770 im Starost Pelilcancyk, den der Verwalter des Distrikts, den der Wiener Hof in Polen in Besitz genommen hat, geschickt hat und durch den allzu deutlich zu Tage tritt, dass dieser Hof diesen Distrikt mit allen ihm zugehörigen Gebieten schon als an sein Königreich Ungarn angeschlossene Staaten betrachtet. Dieses Vorgehen beweist hinreichend, dass er entschlossen ist, ihn zu behalten, und ich habe allen Grund anzunehmen, dass er ihn nicht aufgeben wird, solange keine höhere Macht ihn dazu zwingt.

Diese Idee bringt mich selbstverständlich auf eine andere und lässt mich urteilen, dass es das Beste wäre, wenn Russland und ich ebenfalls von diesen Umständen profitieren und, dem Beispiel des Wiener Hofs folgend, uns unserer Interessen selbst annehmen und uns einen reellen und angemessenen Anteil verschaffen. In der Tat scheint es mir, dass es Russland gleichgültig sein müsste, von welcher Seite es die Entschädigung erhält, die es laut Ihrer oben erwähnten Depesche so sehr wünscht. Da aber sein aktueller Krieg ausschließlich auf polnische Angelegenheiten zurückzuführen ist, verstehe ich nicht, warum es nicht denken sollte, sich diese Entschädigung auf dem Gebiet eben dieser Republik zu verschaffen, und, für mich gilt, wenn ich nicht will, dass sich die Gewichte allzu sehr zugunsten Österreichs verschieben, werde auch ich nicht umhin können, mir auf dieselbe Weise ein kleines Stück Polen zu verschaffen, und sei es nur als Ausgleich für meine finanzielle Unterstützung sowie für meine Verluste und Schäden, die ich ebenfalls in diesem Krieg hinnehmen musste. Mehr noch, ich könnte ungezwungen und wahrheitsgemäß sagen, dass ich für diese Neuerwerbung hauptsächlich Russland verpflichtet bin, die zugleich neue Gelegenheit bieten würde, unsere gegenseitigen Bindungen zu verstärken und sie noch unauflöslicher zu machen.

Was Russlands Friedensverhandlungen anbelangt, so kann es hingegen ganz sicher sein, dass ich es so weit als möglich und ohne Unterlass unterstützen werde und dass ich alles tun werde, um ihm einen ruhmreichen Frieden zu verschaffen; bei dieser Gelegenheit will ich Sie nicht im Unwissen darüber lassen, dass sein Minister in Wien, Prinz Golizyn, seinen Auftrag, den er bei Prinz von Kaunitz auszuführen hatte, schon erfüllt hat. Bis jetzt hat letzterer aber noch keine Antwort gegeben, er hat die Vorschläge ad referendum genommen, um Ihrer Majestät der Kaiserin-Königin zu berichten. Die Antwort wird ihm aber bald übermittelt werden, und man wird sehen müssen, was sie enthält. [ . . . ]



Quelle: Reinhold Koser, Aus der Vorgeschichte der ersten Teilung Polens, in: Sitzungsberichte der preußischen Akademie der Wissenschaften, 1908, S. 286ff; und Politische Korrespondenz Friedrich des Großen, Band XXX, Nr. 19687 und 19710. [Die Korrespondenz erscheint im französischen Original.]

Übersetzung aus dem Französischen ins Deutsche: Oliver Ilan Schulz

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