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Korrespondenz des preußischen Königs Friedrich II. (des „Großen”) vor der ersten Teilung Polens (1770-71)

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Friedrich an den geheimen Legationsrat Graf Solms in Sankt Petersburg (Potsdam, 20. Februar 1771)

Ich hielt es für angebracht, Ihnen die Besonderheiten mitzuteilen, die mir hinsichtlich der Inbesitznahme zu Gehör gekommen sind, die die Österreicher entlang der Grenze Ungarn vorgenommen haben, und die mir bemerkenswert genug erscheinen, als dass Sie die Aufmerksamkeit der benachbarten Mächte verdienen. In der Tat habe ich soeben erfahren, dass über die Starostei von Zips hinaus auch die von Novitarg, Czorstyn und ein anderer, nicht minder erheblicher Landstrich in die österreichische Postenkette eingeschlossen worden sind; dass das auf diese Weise besetzte Gebiet eine Ausdehnung von ungefähr zwanzig Meilen in der Länge hat, vom Komitat Sáros in Ungarn bis an die Grenzen Österreichisch-Schlesiens; dass das gesamte Gebiet mehrere Städte und bis zu 97 Dörfer umfasst; dass der Wiener Hof dort schon mehrere Souveränitätshandlungen vorgenommen hat; dass der Prinz Kaunitz auf die dahingehend vorgebrachten Klagen der Republik Polen anscheinend ausweichend geantwortet hat, aber doch so, dass daraus klar die Absicht hervorgeht, dass man auf alte Rechtsansprüche pochen will, und dass man in Wien vermutlich schon an einer Deduktion arbeitet, um diese unterschiedlichen Besitztümer zu rechtfertigen und zu halten.

Ich bezweifele nicht, dass man über die meisten dieser Umstände in Petersburg schon informiert ist. Ich erinnere mich sogar, dass, als die erste Meldung von dieser Inbesitznahme eintraf, bei mehreren Personen am Hof Russlands die Idee entstand, eine Vergrößerung zu gleichen Teilen zugunsten aller Nachbarn Polens vorzunehmen, und obwohl ich aus einem Ihrer Berichte ersehen konnte, dass sich diese Idee nicht allgemein durchsetzt hat, und obwohl ich sehr wohl die Gründe erahne, die man anführen kann, um sie zu bekämpfen, glaubte ich Ihnen dennoch schreiben zu müssen, da diese Gründe immer noch davon ausgehen, dass der Wiener Hof von seinem Vorhaben ablassen muss, wohingegen doch aus allem was ich Ihnen aufgezeigt habe deutlich wird, dass er fest entschlossen ist, an ihm festzuhalten.

Nachdem somit die Sachlage in dieser Frage richtig gestellt ist, geht es nicht mehr darum, Polen als ganzes zu erhalten, da ja die Österreicher ein Stück abtrennen wollen, sondern zu verhindern, dass diese Zerstückelung das Gleichgewicht zwischen dem Haus Österreichs und dem meinen beeinträchtigt, dessen Wahrung für mich so wichtig und für den russischen Hof so wertvoll ist. Nun sehe ich keine andere Möglichkeit zu seiner Erhaltung als dem Beispiel zu folgen, das der Wiener Hof vorgibt, und wie er alte Rechtsansprüche geltend zu machen, die mir meine Archive im Überfluss liefern werden, und mich in den Besitz irgendeiner kleinen Provinz Polens zu bringen, um sie dann zurückzugeben, wenn die Österreicher von ihrem Vorhaben ablassen, oder um sie zu behalten, wenn sie die angeblichen Titel geltend machen wollen, die sie vorschützen.

Sie merken selbst, dass ein Erwerb dieser Art auf niemanden in den Schatten stellt; dass die Polen, die als einzige berechtigt wären aufzubegehren, durch ihr Verhalten weder vom russischen Hof noch von mir Schonung verdienen und dass die Aufgabe der Befriedung, wenn sich die Großmächte erst einmal geeinigt haben, dadurch nicht aufgehalten werden kann.

Aber vor allen Dingen möchte ich wissen, welche Meinung am russischen Hof darüber wirklich vorherrscht, und ich lasse Ihnen die freie Wahl, um über die Mittel zu entscheiden, die Ihnen dafür am passendsten und angemessensten erscheinen. Wenn es Ihnen also gelingt, die Kaiserin und ihren Minister von meiner Sichtweise zu überzeugen, würden Sie mir damit einen umso größeren Dienst erweisen, als ich nur diese eine Möglichkeit sehe, die Gleichheit zwischen mir und dem Wiener Hof zu wahren. Folglich zweifle ich nicht daran, dass Sie Ihr ganzes Können einsetzen werden, um diese Aufgabe meinen Wünschen gemäß zu erfüllen, und dass Sie mir genau und detailliert von ihrer erfolgreichen Ausführung berichten werden.

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