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Friedrich II. („der Große”) von Preußen, „General-Principia vom Kriege”, 134-seitiges Manuskript von 1748 in Französisch, erlassen als vertrauliche Befehle an seine Generäle im Jahre 1753 (1748/1753)

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Ich setze bei allen nachfolgenden Betrachtungen meine Reglements für die Armee voraus, die gleichsam der Katechismus meiner Offiziere sind, und handle in dieser Schrift nur von dem, was den Heerführer angeht und was das Größte und Schwierigste an der Kriegskunst ist.


I. Kapitel

Vorzüge und Mängel der preußischen Truppen

Unsre Truppen erfordern von ihrem Führer unendlichen Fleiß. Bei steter Wahrung der Disziplin müssen sie mit größerer Sorgfalt unterhalten und besser ernährt werden als vielleicht alle übrigen Truppen Europas.

Unsre Regimenter bestehen zur Hälfte aus Landeskindern, zur Hälfte aus Söldnern. Die letzteren, die kein Band an den Staat fesselt, suchen bei jeder Gelegenheit wegzulaufen. Darum ist es sehr wichtig, die Desertion zu verhüten. Einige unsrer Generale meinen, ein Mann sei nur ein Mann und der Verlust eines Einzelnen sei ohne Einfluß auf das Ganze. Das mag für andre Armeen zutreffen, aber nicht für die preußische. Desertiert ein ungeschickter Kerl und wird er durch einen andern Tölpel ersetzt, so ist das einerlei. Geht aber der Truppe ein Soldat verloren, den man zwei Jahre gedrillt hat, um ihm die nötige körperliche Gewandtheit beizubringen, und wird er schlecht oder garnicht ersetzt, so hat das auf die Dauer schlimme Folgen. Hat man doch gesehen, wie durch die Nachlässigkeit der Offiziere im Kleinen ganze Regimenter zugrunde gerichtet worden sind. Ich selbst habe solche gesehen, die durch Desertion ganz erstaunlich zusammenschmolzen. Derartige Verluste schwächen die Armee; denn die Zahl macht stets viel aus. Haltet Ihr also nicht die Hand darauf, so verliert Ihr Eure besten Kräfte und seid nicht imstande, sie zu ersetzen. Es gibt zwar Menschen genug in meinem Staate, aber ich frage Euch, ob viele den Wuchs haben wie unsre Soldaten? Und wenn auch, sind sie dann gleich ausgebildet?

Es ist also eine wesentliche Pflicht jedes Generals, der eine Armee oder ein einzelnes Korps kommandiert, der Desertion vorzubeugen. Das geschieht dadurch:

1. daß man nicht zu nahe an großen Wäldern kampiert, wenn die Kriegslage nicht dazu zwingt;

2. daß man die Soldaten oft in ihren Zelten visitieren läßt;

3. daß man Husarenpatrouillen rings um das Lager streifen läßt;

4. daß man nachts Jäger ins Getreide stellt und abends die Kavallerieposten verdoppelt, damit ihre Kette um so dichter ist;

5. daß man nicht duldet, daß die Leute auseinanderlaufen, sondern die Offiziere anhält, sie in Reih und Glied zum Stroh- und Wasserholen zu führen;

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