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Die türkische Niederlage von Wien (12. September 1683)

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19. September

Der Kaiser ist heute nach Linz abgereist. Wir beginnen mit der Säuberung der Stadt von ihrem Abfall und tragen die toten Leiber von Mann und Tier weg. Die Türken hatten einen französischen Ingenieur in ihrem Lager, der sehr viel getan hat, um dieser Stadt zu schaden, und uns 50 Geschütze ruiniert hat. Es gab auch viele Franzosen unter den Janitscharen, und viele der Toten fand man mit französischem Silber und Gold in den Taschen. Täglich werden seit der Flucht des Großwesirs viele türkische Gefangene hergebracht. Es ist beabsichtigt, die Türken, die bereits jetzt gefangen genommen sind und künftig gefangen genommen werden, zur Arbeit beim Reparieren der Basteien und Kurtinen einzusetzen. Der Sieur Kaunitz, des Kaisers Resident an der Hohen Pforte, der im Zelt des Großwesirs aufgefunden wurde, ist nun in der Stadt.

In diesem Augenblick kommt die Nachricht, dass am letzten Freitag, dem 17., ein Teil der Türkenarmee in Sichtweite von Raab (Györ) so hastig floh, als sei unsere ihnen auf den Fersen gewesen; der Offizier, der sie überbrachte, fügte hinzu, auf seinem Weg aus Raab habe er nur zwei Türken angetroffen, die er nach Bruck an der Leitha brachte, wo er sie für einen Scheffel Hafer verkaufte. Alle Feinde oder Aufständischen, die auf die Insel Schütt gelangt waren, sind von dort zurückgezogen. Es sind von hier aus einige Boote voll Infanterie Richtung Ungarn abgesegelt. Wir hegen die Hoffnung, in Kürze etwas über irgendein großes Vorhaben gegen die Türken zu hören. Hier werden tagtäglich in großer Zahl kleine Kinder hergebracht, welche die Türken gefangen genommen hatten; sie schändeten die Jungfrauen und Frauen und köpften die alten Männer und Frauen.

Hier gibt es Neuigkeiten aus Graz, dass Graf Budiani (der gewünscht hatte, dass Graf Strasoldo sich beim Kaiser für ihn einsetze) 8.000 Husaren seiner Truppen unter dem Kommando seines Sohnes und des Grafen Nàdasdy befehligt hatte, um über 2.000 bei Kanischa [Canisa bei Maribor, Anm. d. Übs.] lagernde Türken herzufallen, und dass sie alle mit dem Schwert töteten. Freiherr von Buroni ist tot, und sein Sohn fiel von den Aufständischen ab und fleht um die Gnade des Kaisers. Die Türken, die Gefangene sind, versichern einhellig, dass der Großwesir den Wesir Ibrahim Bassa von Buda [Ofen] hat erdrosseln lassen, weil er als Erster bei der Schlacht vor Wien an Boden verloren hat. Ein Teil des osmanischen Heeres ist bei Griechisch Weißenburg [Belgrad, Anm. d. Übs.] angekommen.

Seit diesem außergewöhnlichen Sieg durch das Christenheer (das sich einige Tage erfrischt hatte) wissen wir mit Gewissheit, dass es am 23. September auf der Verfolgung der zerstreuten Streitkräfte der osmanischen Armee Pressburg passiert hat, die nach Stuhlweißenburg [Székesfehérvár] geflohen ist; so werden wir in einigen Tagen den Bericht erhalten, was sich zwischen ihnen zugetragen hat. Dieser Sieg hat unserer Sache bereits diesen Vorteil verschafft, dass der Graf von Trautmannsdorf die Burgen und Einkünfte jener genommen und beschlagnahmt hat, die dem Türken gehuldigt hatten, und es wurde beschlossen, dasselbe in Ungarn zu tun.

Finis



Quelle der englischen Fassung: „A True and Exact Relation of the Raising of the Siege of Vienna and the Victory obtained over the Ottoman Army, the 12th of September 1683“. London, Printed for Samuel Crouch at the Corner of Popes-Head Alley next Cornhill, 1683; abgedruckt in C.A. Macartney, Hg., The Habsburg and Hohenzollern Dynasties in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, in Documentary History of Western Civilization. New York, Evanston und London: Harper & Row, 1970, S. 59-66.

Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche: Erwin Fink

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