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Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, proklamiert am 5. Februar 1794, rechtskräftig ab 1. Juni 1794 (1794)

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§ 12. Es ist aber auch ein jeder Einwohner des Staats, sich um die Gesetze, welche ihn oder sein Gewerbe und seine Handlungen betreffen, genau zu erkundigen gehalten; und es kann sich niemand mit der Unwissenheit eines gehörig publizirten Gesetzes entschuldigen.

§ 13. Nur in dem Falle, wo vorhin erlaubte, oder als gleichgültig angesehene Handlungen durch Strafgesetze eingeschränkt, oder verboten worden, soll der Uebertreter mit dem Einwande: daß er, ohne Vernachläßigung seiner Pflichten, vor der vollbrachten That, von dem Verbote nicht unterrichtet gewesen, annoch gehört werden.


Anwendung der Gesetze.

§ 14. Neue Gesetze können auf schon vorhin vorgefallene Handlungen und Begebenheiten nicht angewendet werden.

§ 15. Die von Seiten des Gesetzgebers nöthig befundene und gehörig publizirte Erklärung eines ältern Gesetzes aber giebt, in allen noch zu entscheidenden Rechtsfällen, den Ausschlag. [ . . . ]


Wen die Gesetze verbinden.

§ 22. Die Gesetze des Staats verbinden alle Mitglieder desselben, ohne Unterschied des Standes, Ranges und Geschlechts. [ . . . ]


Auslegung der Gesetze.

§ 46. Bey Entscheidungen streitiger Rechtsfälle darf der Richter den Gesetzen keinen andern Sinn beylegen, als welcher aus den Worten, und dem Zusammenhange derselben, in Beziehung auf den streitigen Gegenstand, oder aus dem nächsten unzweifelhaften Grunde des Gesetzes, deutlich erhellet.

§ 47. Findet der Richter den eigentlichen Sinn des Gesetzes zweifelhaft, so muß er, ohne die prozeßführenden Parteyen zu benennen, seine Zweifel der Gesetzcommißion anzeigen, und auf deren Beurtheilung antragen.

§ 48. Der anfragende Richter ist zwar schuldig, den Beschluß der Gesetzcommißion bey seinem folgenden Erkenntniß in dieser Sache zum Grunde zu legen; den Parteyen bleiben aber die gewöhnlichen Rechtsmittel dagegen unbenommen.

§ 49. Findet der Richter kein Gesetz, welches zur Entscheidung des streitigen Falles dienen könnte, so muß er zwar nach den in dem Gesetzbuche angenommenen allgemeinen Grundsätzen, und nach den wegen ähnlicher Fälle vorhandnen Verordnungen, seiner besten Einsicht gemäß, erkennen.

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