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Politisches Testament Friedrichs II. („des Großen”)(1752)

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Wer später einmal so glücklich ist, diese Gebietserwerbung durchzuführen, wird zweifellos Thorn, Elbing und Marienwerder befestigen und dazu kleinere Plätze längs der Weichsel errichten müssen, was alle Unternehmungen Rußlands gegen uns illusorisch machen würde. Fest steht, daß seine regulären Truppen nicht zu fürchten sind, aber die Kalmücken und Tataren verwüsten als alles niederbrennende, grausame Horden die Gegenden, führen ganze Völker in Gefangenschaft und stecken alle Orte, in denen sie die Oberhand haben, in Brand. So haben sie es schon in Finnland getan, und das sollte euch Mahnung sein, den Krieg mit Rußland, solange euer Ruf es euch gestattet, zu vermeiden.

Erwerbungen, die man mit der Feder macht, sind denen, die man mit dem Schwert macht, immer vorzuziehen. Dabei ist man weniger dem Zufall ausgeliefert und schadet dabei weder seinem Geldbeutel noch seiner Armee. Ich glaube, bei einer friedlichen Eroberung Polnisch-Preußens wäre unter allen Umständen zu beachten, daß Danzig als letzter Teil ins Auge gefaßt wird; denn diese Gebietserwerbung würde die Polen laut aufschreien lassen, die ja all ihr Getreide über Danzig ausführen und begründeterweise befürchten würden, daß sie durch Zölle, die Preußen auf der Weichsel und dem Hafen der Münde auf alle Waren, die die Herren Sarmaten an die anderen Völker verkaufen, legen könnte, von ihm abhängig würden.

Das schwedische Pommern ist die Provinz, an der uns nach den eben behandelten am meisten gelegen ist. Seine Erwerbung ließe sich nur durch Verträge bewerkstelligen. Ich glaube, daß ein solches Projekt noch mehr Schimäre ist als die vorhergehenden. Dennoch sage ich hier, wie es zum Erfolg geführt werden könnte. Rußland brachte als bedeutendste Macht im Norden Schweden dazu, sich mit Preußen zu verbünden, um ein Gegengewicht im Gleichgewicht der Mächte zu bewirken. Wenn nun in einer glücklichen Konstellation, in der Rußland einen Krieg auf dem Hals hätte, Schweden den Plan faßte, Livland zurückzufordern, warum sollte dann Preußen ihm nicht seinen Beistand unter der Bedingung anbieten, daß es nach Gelingen des Plans Preußen den Teil Pommerns, der jenseits der Peene liegt, überläßt? Da gibt es aber die Schwierigkeit, Rußland von Livland und Estland her anzugreifen: das geht nur, wenn man die Überlegenheit zur See besitzt. Die schwedische Flotte ist jedoch schwach, und wir haben nicht ein Kriegsschiff. Es wäre also unmöglich, Reval, Narwa und die anderen Plätze zu belagern, ganz zu schweigen von der Tatsache, daß die Zufuhr von Lebensmitteln vielleicht völlig undurchführbar bliebe. Und selbst wenn man annimmt, daß Preußen die Eroberung gelänge, bliebe dann nicht doch fast erwiesen, daß Schweden nicht von der Seite Finnlands vorrücken könnte, weil die ihrer Lage nach unangreifbaren Festungen der Russen es daran hindern? So gäbe es, nachdem soviel Blut vergossen worden ist, beim Friedensschluß doch nur ein bloßes Waffenstrecken, und jeder bliebe im Besitz dessen, was er hatte, ehe man begann.

Das ist nahezu alles, was ich hinsichtlich der Erwerbungen sagen kann, die uns ein Anliegen sind. Wenn dieses Haus große Fürsten hervorbringt, wenn die Armee ihre gegenwärtige Disziplin bewahrt, wenn die Landesherren in Friedenszeiten sparen, um für Kriegsausgaben gerüstet zu sein, wenn sie mit Geschick und Klugheit aus den Vorkommnissen Nutzen zu ziehen verstehen, und wenn sie schließlich selbst welterfahren sind, dann habe ich keinen Zweifel, daß unser Staat sich vergrößert, wächst und gedeiht und Preußen mit der Zeit eine der bedeutendsten Mächte Europas wird. [ . . . ]

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