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Friedrich August Ludwig von der Marwitz: Auszug aus dem Essay „Von den Ursachen der überhandnehmenden Verbrechen” (1836)

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Wenn sonst die Kinder nicht in der Schule waren, so sahen sie dem Vater oder der Mutter oder dem Nachbar bei ihren Arbeiten zu und griffen mit an, nach Kräften, wie denn alle Kinder von Natur einen Trieb zur Arbeit haben und das auch zu leisten trachten, was ein Größerer leistet, — und wenn sie auf dem Felde hinter den Ochsen oder Schweinen oder Gänsen lagen, so lernten sie Gottes Natur, die Tiere, die Vögel, die Felder und die Geschäfte des Ackerbaues kennen und nach und nach üben.

Jetzt erliegen sie entweder unter den Gedanken, die sie haben sollen, oder spekulieren weiter in denen, die ihnen beigebracht sind, halten sich für klüger als ihre Eltern und hoffen mehr zu werden als diese. Die Eltern aber lassen die Kinder laufen, und die besten jammern darüber. Leider aber sehen auch jetzt viele Kinder den Vater nur betrunken, die Mutter zankend oder beide beim Diebstahl.

Es ist nicht lange her, daß ich mit einem alten Bauer von seinem Sohne sprach, der sich in der Schule auszeichnete.

Er sagte: Gottlob, daß es bald vorbei ist, dies Jahr wird er eingesegnet.
Ich: Warum „Gottlob"? Er hat seine Zeit recht gut angewendet.
Er: Ach wat! Er weeß gar nischt, er muß noch allens lernen!
Ich: Da seid Ihr im Irrtum; er ist der Beste in der Schule und weiß genug.
Er: Ja, von 'nen Elephanten weeß er, und von den Mond, und will klug sind, — aber er kann keen Pferd uf de Weide griepen und ufzöhmen, keenen Pfug stellen; er kann nich mal de Schweine von den Hof runter jagen, er treibt sie aus eene Ecke in de andere. Wie ick so alt war, konnte ick schon allens, aber schreiben kann ick noch heute nich, habe's ooch mein Leben nich gebraucht. Er schreibt so gut wie der Küster, wat will he denn nachher schreiben? Pflügen muß er un säen und mähen und de Wirtschaft verstehen, dat muß er!

Und dieser Bauer war ein sehr vernünftiger, fleißiger, wohlhabender Mann, das Orakel der ganzen Gemeine, und hatte recht — denn diese Besten in der Schule werden fast immer von ihrem Berufe abgezogen, erspekulieren einen besseren und bequemeren Zustand und gehen meistenteils verloren.

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