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Wenzel Anton Kaunitz-Rietberg, „Allergnädigst anbefohlenes Gutachten über die Verbesserung des Systematis in internis” für Maria Theresia (14. April 1773)

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Eine weitere sehr schädliche Würkung der theoretischen Unwissenheit bestehet darinnen, daß selbige die Verbesserungsvorschläge, so sich auf theoretische Sätze gründen, in einem ganz unrichtigen Begrif ansehen und als Beleidigungen der Eigenliebe und Abneigung und öfters mit einer wahren Gehässigkeit aufgenommen, andurch aber die nüzlichsten Einrichtungen wo nicht gänzlich vereitelet, jedoch sehr erschweret und auf viele Jahre verzögeret werden.

Diesem grossen Gebrechen haben zwar Euer Majestät auf Anrathen einiger Mitglieder des Staats Raths durch Stiftung verschiedener Professuren über die erwehnte politische Wissenschaften und durch die weisest hinzugefügte Verordnung, daß künftighin keiner, so diese Collegia nicht gehöret, zu Bedienungen gelangen sollte, abzuhelfen geruhet, und werden in wenig Jahren die geschickteste Subjecta in allen Arten der theoretischen Wissenschaften nicht ermangeln, auch alsdann gute Vorschläge nicht so vielen Widerspruch und Hinderniße wie dermalen vorfinden. Allein die Würkung im ganzen kann erst in einigen Jahren zu verspühren seyn, und der Mangel in der Theorie wird sich noch auf die gegenwärtige Generation erstrecken, da es in einem gewissen Alter nicht mehr thunlich ist, neue Wissenschaften zu erlernen und alte Vorurtheile abzulegen.

b) Noch nachtheiliger für den Staat ist die Unwissenheit, so in Ansehung der innländischen Umstände bey uns herrschet. Ich könnte aber solche nicht kürzer, lebhafter und überzeugender beschreiben, als solches von des Kaisers Majestät in der abschriftlichen Anlage geschehen ist. Und wer diese Unwissenheit in Zweifel ziehen wollte, dem müste die betrübte Begebenheit unbekannt seyn, daß in Böhmen so gähling, und nachdem man wenige Zeit vorher über den Überfluß der Körner geklaget, eine Hungers-Noth ausgebrochen und mit keiner Zuverlässigkeit ausfindig gemacht werden können, wie hoch sich der Getreid Vorrath und Abgang belauffe, woraus also der empfindlichste Verlust an Menschen und Geld Aufwand erwachßen müssen und auch künftig erwachßen dörfte, wenn dem Übel nicht aus dem Grunde abgeholfen würde. Dann ob zwar seiter kurzem die innländische Känntniße sich erweitert haben, so fehlet doch noch vieles, daß selbige bey denen Creiß-Ämtern, Länder- und Hof-Stellen so hoch gestiegen seyen, als es die Wohlfarth des Staats erforderet, und die Möglichkeit in den Landen unsers Nachbarn des Königs in Preussen sich werkthätig zu Tage leget. Wie dann in derselben Botmässigkeit sich kein Dorf befindet, dessen Population, Viehzucht, Fechßung, Getreid-Vorrath p. nicht in Tabellen gebracht und dem Gouvernement zu seinen weiteren Speculationen und heilsamen Anordnungen auf das genaueste bekannt seyn sollten.

So gewiß es nun an sich ist, daß wir von dieser Vollkommenheit noch weit entfernet seyen, so zuverlässig kann dargethan werden, daß die Grund Ursache hauptsächlich in unserer fehlerhaften Regierungsform zu suchen, und nicht nur möglich, sondern an sich leicht sey, selbige zu verbesseren und andurch in unseren innländischen Känntnißen wenigstens denen preussischen gleich zu kommen. [ . . . ]

Mit den oberwehnten drey wesentlichen Mitteln, die überspannte Auflagen abnehmen und in andere Wege ersetzen zu können, vereiniget sich noch der zuverlässig anzuhoffende Zuwachß der landesfürstlichen Einkünfte, wenn sich auf behörige Art und mit lebhaften Eifer bestrebet wird, den innländischen Ackerbau, Viehzucht und Industrie auf einen verbesserten Fuß zu setzen und andurch das Länder Capital namhaft zu vermehren.

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